rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Duldungsbescheid und Vorsatzanfechtung bei der Überlassung eines Girokontos (sog. „Kontoleihe”) an Dritte
Leitsatz (redaktionell)
Überlässt der Steuerpflichtige sein Girokonto einem insolventen Dritten für dessen betrieblichen Zahlungsverkehr in Kenntnis dessen, dass der Dritte seine Gläubiger hierdurch benachteiligen möchte, stellen die Einzahlungen betrieblicher Einnahmen des Dritten auf das Konto des Steuerpflichtigen anfechtbare Rechtshandlungen i.S. des § 3 Abs. 1 AnfG dar, für deren Rückgewähr das FA den Steuerpflichtigen durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen kann.
Normenkette
AnfG §§ 3-4; AO § 154; AnfG § 11; AO § 191
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Inanspruchnahme der Antragstellerin durch einen Duldungsbescheid für Steuerverbindlichkeiten ihres Vaters.
Der Antragsgegner nahm die Antragstellerin mit Duldungsbescheid vom 18.10.2021 für Steuerverbindlichkeiten ihres Vaters – A1 – über … Euro in Anspruch. Die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Steuerverbindlichkeiten blieb beim Vater erfolglos. Hinsichtlich der Höhe und Zusammensetzung der Steuerverbindlichkeiten wird auf Anlage 1 sowie die Unteranlagen 1.1 und 1.2. Bezug genommen, die sich in den Steuerakten des Antragsgegners befinden.
Zuvor hatte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin mit Datum vom 12.12.2019 einen Duldungsbescheid erlassen. Dieser Bescheid konnte ausweislich der Zustellungsurkunde unter der angegebenen Anschrift „B-Straße …, … C” nicht zugestellt werden. Auf der Zustellungsurkunde war als neue Anschrift „D-Straße a, … C” vermerkt. Vor diesem Hintergrund erließ der Antragsgegner mit Datum vom 2.1.2020 erneut einen Duldungsbescheid gegenüber der Antragstellerin unter der Anschrift „D-Straße a, … C”. Auf der Zustellungsurkunde war im Adressfeld folgendes vermerkt: „Frau A, D1-Straße b, … C”. Eine Zustellung erfolgte ausweislich des Vermerks der Postbediensteten am 9.1.2020 durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten.
Die Antragstellerin hatte ihrem Vater ein von ihr am 22.3.2010 eröffnetes und auf sie eingerichtetes Girokonto bei der F-Bank mit der IBAN … überlassen. Über dieses Konto war die Antragstellerin laut Auskunft der F-Bank vom 28.11.2019 alleine verfügungsberechtigt. Eine Kontovollmacht für eine weitere Person bestand nicht. Mangels Mitwirkung der Antragstellerin und ihres Vaters forderte der Antragsgegner bei der F-Bank für das Jahr 2019 unter anderem eine Übersicht über die Kontenbewegungen an. Die F-Bank legte dem Antragsgegner daraufhin die entsprechenden Kontobuchungen vor.
Daraus ging hervor, dass das Girokonto von A1 unter anderem im Zeitraum vom 1.1.2019 bis zum 1.11.2019 als betriebliches Konto im Rahmen seines Betriebs genutzt wurde. In diesem Zusammenhang wurden auf dem Konto im vorgenannten Zeitraum unter anderem dem Gewerbebetrieb von A1 zuzuordnende Zahlungseingange von Auftraggebern des Betriebs in Höhe von rund … Euro verbucht. Der Verwendungszweck der Buchungen weist diverse Rechnungsnummern und/oder den Namen „A1” aus. Zudem ist aus den vorgelegten Kontoauszügen ersichtlich, dass Arbeitslöhne, Materialeinkäufe und Betriebssteuern (u.a. Umsatzsteuer) für den Betrieb von dem Konto beglichen wurden. Eine Aufstellung der Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge ist aus Anlage 2 des Duldungsbescheids vom 18.10.2021 zu entnehmen, die sich in den Akten des Antragsgegners befindet und auf die für weitere Einzelheiten Bezug genommen wird.
Mit Schreiben vom 2.9.2021, auf das für weitere Einzelheiten Bezug genommen wird, hatte die Antragstellerin dem Antragsgegner in einem wegen gegen sie gerichteten Vollstreckungsmaßnahmen geführten Einspruchsverfahren ausdrücklich mitgeteilt, dass die „Einkünfte und Geschäfte” nicht von ihr, sondern von ihrem Vater getätigt worden seien und ihr Vater das „Konto … für sein Geschäft zeitweilig benutzt” habe.
Der Antragsgegner stützte den Duldungsbescheid vom 18.10.2021 auf eine Anfechtung nach § 191 AO in Verbindung mit § 4 AnfG. Die zugrunde gelegten Steuerverbindlichkeiten betrafen die Umsatzsteuer und Einkommensteuer für die Jahre 2014 bis 2018. Soweit Säumniszuschläge betroffen waren, wurden diese mit Blick auf ihren Zins- und Druckmittelcharakter nur hälftig berücksichtigt. Für nähere Einzelheiten wird auf den Duldungsbescheid vom 18.10.2021 nebst Anlagen Bezug genommen.
Mit ihrem hiergegen erhobenen Einspruch machte die Antragstellerin geltend, dass die Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme durch einen Duldungsbescheid nicht vorlägen. Eine Anfechtung durch den Antragsgegner komme nicht in Betracht. Zur Begründung führte sie aus, dass ihr die finanziellen Verhältnisse ihres Vaters nicht bekannt seien. Dies sei aus Familiengesichtspunkten auch „verständlich und nachvollziehbar”, zumal ein Vater seine Tochter nur „ungern” darüber aufkläre, dass er sich in einem Insolvenzverfahren befinde und er aus diesem Grund „ein Konto” von ihr „zur Abwicklung seines Zahlungsverkehrs” benötige. Sie – d...