Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Aussetzung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel am Zinssatz nach § 238 AO
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine Aussetzung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel am Zinssatz von 6 % nach § 238 AO kommt wegen des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung nicht in Betracht.
2) Die inzidente Prüfung von Einwendungen gegen den in der Hauptsache angefochtenen Grundlagenbescheid ist auf Folgebescheide auch in Aussetzungsverfahren nicht vorgesehen.
Normenkette
AO § 238; FGO § 69; AO § 233a
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bezüglich der Festsetzung von Zinsen gem. § 233a der Abgabenordnung (AO) zur Einkommensteuer 2009. Zwischen ihnen ist insbesondere streitig, ob verfassungsrechtliche Zweifel an dem in § 238 Abs. 1 AO geregelten Zinssatz von 6 % p.a. eine Aussetzung gebieten oder ob – unabhängig von eigenständigen Einwendungen gegen die Zinsfestsetzung – eine Aussetzung der Vollziehung der Zinsen jedenfalls wegen geltend gemachter Einwendungen gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 geboten ist, wenn gegen diesen Bescheid zwar Einspruch eingelegt worden ist, jedoch kein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt worden ist und insoweit keine Aussetzung begehrt wird.
Die Antragsteller sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Im September 2010 reichten sie ihre Einkommensteuererklärung 2009 beim Antragsgegner ein. Der Antragsteller (Ehemann) erklärte hierbei u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von ca. … €. Gewerbliche Veräußerungsgewinne (nach §§ 16, 17 des Einkommensteuergesetzes – EStG) wurden nicht erklärt. Die Antragsteller wurden zunächst betreffend der hier streitigen Punkte ohne Vorbehalt der Nachprüfung antragsgemäß mit Bescheid vom 23. November 2010 zu einer Einkommensteuer von … € veranlagt. Unter dem 15. Juni 2011 erging ein aus anderen Gründen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderter Einkommensteuerbescheid 2009 mit einer festgesetzten Einkommensteuer von … €.
Im Jahre 2017 fand beim Antragsteller eine für die Einkommensteuer 2009 sowie die Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2013 angeordnete steuerliche Außenprüfung (Betriebsprüfung) statt. Anlass der Betriebsprüfung war ein Erwerb von Anteilen an der A GmbH „…”) durch den Antragsteller im Jahre 2004 sowie eine vom seinerzeitigen Veräußerer gegenüber dem Antragsteller im Jahre 2009 geltend gemachte (Rück-)Veräußerungspflicht der Beteiligung. Mit notarieller Beurkundung vom 8. September 2009 erfolgte ausweislich der Feststellungen der Betriebsprüfung eine (Rück-)Übertragung der Anteile durch den Antragsteller an den ursprünglichen Veräußerer, wobei jedoch der Antragsteller eine Ertragsbeteiligung durch Gewährung von Genussrechten ohne Mitbestimmungs- und Stimmrechte auch in der Folgezeit behielt. Die Betriebsprüfung vertrat deshalb die zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitige Auffassung, dass im Jahre 2009 ein Veräußerungsgewinn – vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens – gem. § 17 EStG i.H.v. insgesamt … € erzielt worden sei und dieser Veräußerungsgewinn nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO als rückwirkendes Ereignis verfahrensrechtlich in einer geänderten Einkommensteuerfestsetzung 2009 noch berücksichtigt werden könne. Für die Berechnung der Zinsen sei – so die Betriebsprüfung – ein bei rückwirkenden Ereignissen abweichender Zinslauf nach § 233a Abs. 2a AO zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 13. November 2017 (vom Antragsgegner im Änderungsbescheid vom 13. November 2017 versehentlich auf den 15. Oktober 2017 datiert) nebst dort benannten Schriftsätzen verwiesen. Zu den hiergegen von den Antragstellern erhobenen vielfältigen verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Einwendungen wird auf die Schriftsätze der Antragsteller vom 15. Dezember 2017 sowie vom 12. Januar 2018 nebst Anlagen verwiesen.
Der Antragsgegner folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ unter dem 13. November 2017 einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützten Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2009, in welchem er – nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens – einen gewerblichen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG i.H.v. … € der Besteuerung zugrunde legte. In dem Einkommensteuerbescheid 2009 vom 13. November 2017 wurde nunmehr eine Einkommensteuer von … € (nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) festgesetzt, woraus – bezogen auf die Einkommensteuer – für die Antragsteller eine Zahllast von … € resultierte.
Für die Veranlagungszeiträume 2013 bis 2015 kam es nach Aktenlage zu nach § 174 Abs. 1 AO oder § 164 Abs. 2 AO zugunsten der Antragsteller geänderten Einkommensteuerfestsetzungen, in welchen zuvor versteuerte Einnahmen (Gewinnbeteiligungen) nach § 20 EStG (nebst hierzu abgezogener Kapitalertragsteuern) um … € in 2013, … € in 2014 und … € in 2015 korrespondierend nicht mehr ...