Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme eines rechtswidrigen. begünstigenden Verwaltungsakts
Leitsatz (redaktionell)
Die Rücknahme eines rechtswidrigen, begünstigenden Verwaltungsakts nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO durch das Finanzamt setzt einen Kausalzusammenhang zwischen unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Stpfl. und dem Erlass des Verwaltungsakts voraus
Normenkette
AO § 130 Abs. 2 Nr. 3, § 155 Abs. 1 S. 3, § 163; EStG 2001 § 50 Abs. 7, § 50a
Tenor
1. Der Aufhebungsbescheid vom 29.09.2001 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 11.06.2003 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens im ersten und im zweiten Rechtszug.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Das Verfahren befindet sich im 2. Rechtszug.
Die Klägerin wurde am 25.09.2000 unter dem Namen „…” (GmbH) mit Sitz in Y gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist …
Gründungsgesellschafter der Klägerin waren Herr … und Frau… A, zum ersten Geschäftsführer wurde Herr A bestellt. Alle Beteiligten wohnen in … /Österreich und sind auch Gesellschafter bzw. Geschäftsführer der dort ansässigen B-Ges.m.b.H (B). Die B veranstaltete seit Jahren Gastspielreisen ausländischer Künstler in den Bereichen …und dergleichen in Deutschland.
Zwischen der Klägerin und der B wurde am 15.09.2000 ein Rahmenvertrag geschlossen, in dem sich die Klägerin verpflichtete, die Tourneeveranstaltungen in Deutschland durchzuführen und hierüber mit B jeweils Absprachen zu treffen. Daneben wurden Einzelverträge zwischen der Klägerin und B abgeschlossen, in denen sich B u.a. dazu verpflichtete, Produktionen fertig zur Verfügung zu stellen und alle Kosten der Künstler, der Technik usw. zu tragen und die Klägerin sich verpflichtete, einen bestimmten Betrag pro Vorstellung zu zahlen und Bescheinigungen zu beantragen, dass die Künstler gemäß BMF-Schreiben IV B 4 – S 2303 – 34/83 vom 20. 07.1983 (Bundessteuerblatt – BStBl – I 1983, 382) vom Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG befreit seien. Auf die Vereinbarung zwischen der Klägerin und B über die Gastspiele des … für den Zeitraum … bis …2000 wird beispielhaft Bezug genommen.
Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 29.11., 13.12.2000 und 10.01.2001 unter Bezug auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) IV B 4 – S 2303 – 34/83 vom 20.07.1983 „die Freistellung vom Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG der mitwirkenden Künstler, die an der von der … organisierten Europa-Tournee des Theaters in Deutschland teilnahmen”, beantragt. Die Anträge wurden im Anschluss an Auftritte des …, des …, des … und des …” in der Bundesrepublik Deutschland gestellt. Den Anträgen waren Tourneepläne und Bescheinigungen nationaler Behörden über eine Subventionierung der Theater beigefügt. Auf die Unterlagen wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 02.01 und 01.03.2001 erteilte der Beklagte (das Finanzamt) der Klägerin Bescheinigungen „über die Freistellung vom Steuerabzug gem. § 50a EStG für:
1. …
Am 11.01.und 11.04.2001 reichte die Klägerin Anmeldungen über den Steuerabzug nach § 50a EStG für IV/00 und I/01 beim Finanzamt ein. Bezüglich der Berechnung der Abzugsbeträge wurde in den Anmeldungen auf die beigefügten Aufstellungen verwiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf diese Unterlagen Bezug genommen. Nachdem das Finanzamt die OFD München in die steuerliche Behandlung eingeschaltet hatte, fand bei der Klägerin eine betriebsnahe Veranlagung statt. Auf den hierzu ergangenen Bericht über die Feststellungen zur Sachverhaltsaufklärung vom 10.08.2001 wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 20.09.2001 nahm das Finanzamt die Bescheinigungen gem. § 130 Abgabenordnung (AO) zurück, da nicht die Klägerin, sondern die B Vertragspartner der ausländischen Künstler gewesen sei.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 27.09.2001 Einspruch ein. Sie vertrat die Ansicht, die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bescheinigung nach § 130 AO seien durch das Finanzamt nicht dargelegt worden. Eine falsche rechtliche Subsumtion durch das Finanzamt könne ihr nicht vorgeworfen werden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11.06.2003 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Ein bei Gericht gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung blieb gleichfalls erfolglos (vgl. Beschluss des FG München vom 19.05.2004 1 V 2703/03, EFG 2004, 1538).
Auf die daraufhin erhobene Klage erließ das Finanzgericht (FG) ein Urteil (vom 26.09.2007 2 K 2701/03), in welchem es die Klage als unzulässig abwies. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (BFH-Beschluss vom 29.04.2008 I B 207/07).
Mit ihrer Klage macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die Rücknahme der erteilte...