Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verzicht auf Stundungszinsen wegen anderweitig ausstehender Forderungen des Zinsschuldners gegen öffentliche Auftraggeber
Leitsatz (redaktionell)
1. Die augenblickliche Illiquidität des Steuerschuldners kann dann als persönlicher Billigkeitsgrund den Verzicht des Steuergläubigers auf Stundungszinsen bedingen, wenn die Zahlungsunfähigkeit auf persönlichen Verhältnissen wie Krankheit, erheblichen Geschäftsverlusten und ähnlichen unabwendbaren Ereignissen beruht.
2. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn der Steuerpflichtige nur wegen nicht bezahlter, fälliger, unverzinslicher Forderungen gegen öffentliche Auftraggeber in vorübergehende, den Stundungsantrag auslösende Liquiditätsprobleme geraten ist, wenn er aber über ein Jahr Zeit hatte, sich auf die Steuernachforderung entsprechend vorzubereiten, er zudem abzüglich aller Verbindlichkeiten über ein Reinvermögen von rund 800.000 EUR verfügt und ihm daher auch z.B. die Aufnahme eines Darlehens zur pünklichen Bezahlung der Steuerschuld (in Höhe von rund 158.000 EUR) möglich gewesen wäre.
3. Anders als ein Gegenanspruch gegen den Steuergläubiger bedingen offene Forderungen gegen andere Rechtssubjekte der öffentlichen Hand auch nicht einen Zinserlass aus sachlichen Gründen. Dem Steuerpflichtigen als Gläubiger der öffentlichen Hand stehen dieselben zivilrechtlichen Mittel zu Gebote wie jedem anderen Gläubiger, um fällige Forderungen einzutreiben. Verzichtet der Steuerpflichtige hierauf oder lässt sich die Forderung aus welchen Gründen auch immer nicht sofort eintreiben, so kann es nicht Aufgabe des Steuerfiskus sein, als zentrale Verrechnungs- oder Clearingstelle zu fungieren.
Normenkette
AO § 234 Abs. 1-2, § 5; FGO § 102
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beklagte – das Zentralfinanzamt München (ZFA) – gehalten war, auf Stundungszinsen aus Billigkeitsgründen zu verzichten.
Der Kläger ist an einer Ingenieur-/Unternehmensberatungspersonengesellschaft in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts beteiligt und wird mit der Klägerin beim Finanzamt XXXX zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Im April 2003 beantragten die Kläger die zinslose Stundung der fällig werdenden Nachzahlungen zu Einkommensteuer (ESt) und Solidaritätszuschlag für 2001 bis Ende Juni 2003. Das zuständige ZFA lehnte die Stundung ab, da die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller nicht dargelegt waren. Einem erneuten Stundungsantrag vom Juni 2003 gab das ZFA im Einspruchsverfahren am 1. August 2003 mit Rückwirkung auf den Fälligkeitszeitpunkt statt. Die Stundungsverfügung sah – entsprechend dem Vorschlag der Kläger – vier Ratenzahlungen bis Ende Oktober 2003 vor. Die Kläger leisteten die Raten fristgemäß. Das ZFA setzte mit Bescheid vom 14. August 2003 Stundungszinsen in Höhe von 3.346 mit Fälligkeit am 30. Oktober 2003 fest.
Die Kläger begründeten ihren Einspruch gegen den Zinsbescheid und ihren Antrag auf Verzicht auf Zinsen mit Liquiditätsproblemen der Kläger bzw. der Ingenieurgesellschaft. Diese seien dadurch entstanden, dass fällige Forderungen der Gesellschaft gegen öffentliche Auftraggeber in Höhe von rund 2,4 Mio. nicht verzinst würden. Es sei nicht sachgerecht, wenn auf der anderen Seite die gestundeten Steuerverbindlichkeiten verzinst werden müssten.
In seiner Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2004 lehnte das ZFA die Aufhebung des Zinsbescheides oder einen Erlass aus Billigkeitsgründen ab. Die Kläger seien nicht zahlungsunfähig oder in ihrer Existenz gefährdet. Die eingereichte Vermögensaufstellung weise einen Überschuss der Vermögens- über die Schuldposten in Höhe von 863.000 auf. Forderungen des Steuerschuldners gegen andere öffentliche Kassen als den Steuergläubiger könnten nicht berücksichtigt werden, weil es an gegenüberstehenden Forderungen fehle.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel weiter. Sie vertiefen ihre Begründung aus dem Einspruchsverfahren dahin, dass die Kläger angesichts der überfälligen Forderungen an die öffentliche Hand keinen Liquiditätsvorteil erzielt hätten. Diesen abzuschöpfen sei jedoch der Zweck der Zinsvorschriften. Darüber hinaus habe das ZFA sein Ermessen nicht richtig ausgeübt, weil es sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, inwieweit das Zahlungsverhalten der öffentlichen Hand sich auf die Zinspflicht der Kläger auswirken müsse.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Zinsbescheids vom 14. August 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2004 das ZFA zu verpflichten, dass es auf die darin festgesetzten Stundungszinsen in Höhe von 3.346 verzichtet, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das ZFA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Das ZFA hat bei seiner Entscheidung, nicht a...