rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenübernahmezusage der Krankenkasse für die Aufwendungen einer Transsexuellen für eine geschlechtsumwandelnde Operation in einem Vertragskrankenhaus und Durchführung der Operation in Thailand: Operationskosten mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat die Krankenkasse einer transsexuellen Steuerpflichtigen die Übernahme der Kosten für eine geschlechtsumwandelnde Operation in einem geeigneten Vertragskrankenhaus zugesagt, lässt die Steuerpflichtige die Operation stattdessen zur Vermeidung einer mindestens einjährigen Wartezeit auf eine Operation in Deutschland durch einen ihrer Auffassung nach besser geeigneten Operateur in Thailand durchführen und erstattet die Krankenkasse lediglich wegen der Nichtdurchführung der Operation in einem Vertragskrankenhaus die Kosten nicht, so sind die Aufwendungen für die Operation in Thailand mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig.
2. Die Zwangsläufigkeit ist nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen freiwillig trägt. Der Grund für diese willentliche Entscheidung (hier: Vermeidung einer Wartezeit; Erwartung besserer Operationsergebnisse in Thailand) ist grundsätzlich unerheblich; die Entscheidung für eine von der Krankenkasse nicht finanzierte Behandlung in Thailand anstelle der von der Krankenkasse als erstattungsfähig anerkannten Operation in einem Vertragskrankenhaus ist mit dem Verzicht auf eine Erstattung vergleichbar.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1, § 12 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wurde für das Streitjahr 2018 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt und erzielte – unstreitige – Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Sie wurde 19xx in … als Junge geborene, fühlte sich aber bereits seit dem 4. Lebensjahr dem weiblichen Geschlecht zugehörig. Zunehmend habe sich die Klägerin immer weniger mit ihrem angeborenen Geschlecht identifizieren können. Der Leidensdruck sei immer größer geworden. Nach zahlreichen (auch kulturell bedingten) gescheiterten Versuchen, in ihrer biologischen Rolle zurechtzukommen, und mehrfacher schwerwiegender depressiver und verzweifelter Einbrüche, wanderte die Klägerin 20xx nach Deutschland aus, da sie in ihrer Heimat aufgrund ihrer Transsexualität um ihr Leben gefürchtet habe.
In Deutschland habe die Klägerin fortan vom ersten Tag an als Frau gelebt und sofort nach ihrer Ankunft die Behandlung nach dem TSG (Verfahren nach dem Transsexuellengesetz) aufgenommen. Sie habe eine Psychotherapie absolviert, sich regelmäßig zur Begutachtung Ärzten vorgestellt und seit ca. Mitte 2016 auch bereits geschlechtsangleichende Hormone eingenommen. Der gerichtlich bestellte Gutachter kam nach seiner Begutachtung zu dem Ergebnis, dass diagnostisch eine Mann-zu-Frau-Transsexualität anzunehmen sei.
Die Krankenkasse der Klägerin („…”) sagte mit Schreiben vom … die Kostenübernahme für die geschlechtsangleichende Operation bei Transsexualität zu, wenn die Operation in einem geeigneten Vertragskrankenhaus durchgeführt würde.
Die Klägerin sei bei mehreren deutschen Ärzten vorstellig gewesen. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, dass die Wartezeit bis zur geschlechtsangleichenden Operation mindestens 1 – 1½ Jahre betragen würde. Zudem seien die dort erzielbaren Ergebnisse, die man ihr anhand von Vergleichsfotos aufzeigte, für die Klägerin nicht zufriedenstellend gewesen. Aufgrund ihrer psychischen Verfassung, die das Abwarten einer entsprechend langen Wartezeit für einen Operationstermin in Deutschland nicht zugelassen hätte, dem großen Bedürfnis nach endgültiger Veränderung und Identifizierung sowie der Tatsache, dass die Ärzte in Thailand auf dem Gebiet der geschlechtsangleichenden Maßnahmen weltweit führend seien, habe sich die Klägerin entschlossen, die Operation … in Thailand durchführen zu lassen.
Vor der Operation ließ sich die Klägerin u.a. Spermien entnehmen und diese kryokonservieren. Dies sei die einzige Möglichkeit für die Klägerin, dass sich Ihr bestehender Wunsch nach einem leiblichen Kind trotz Geschlechtsumwandlung erfüllen könne.
Eine Kostenübernahme bzw. -erstattung durch die zuständige Krankenkasse erfolgte insgesamt nicht, da die Operation in keinem Vertragskrankenhaus durchgeführt worden sei.
Mit der Einkommensteuererklärung 2018 vom … machte die Klägerin Kosten für die geschlechtsangleichende Operation in Höhe von insgesamt 22.943 EUR als Krankheitskosten bei den außergewöhnlichen Belastungen geltend. Im Einzelnen:
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Geschlechtsumwandlung in Thailand: |
14.000 |
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Flugkosten: |
669 |
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Hotelkosten vor und nach OP: |
1.226 |
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Nachbehandlung in …: |
6.599 |
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Medikamentenzuzahlung: |
142 |
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Fahrten zum Arzt: |
307 |
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&Sigma:; |
22.943 |
alle Beträge in EUR |
Mit dem Einkommensteuerbescheid 2018 vom … erkannte das beklagte Finanzamt (FA) die geltend gemachten Krankheitskosten – mit Ausnahme von 449 EUR (Medikame...