rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung der Kindergeldanspruchsberechtigung nach §§ 62 ff. EStG unabhängig von Pflegevereinbarung. Kindergeldanspruch für Pflegekind trotz weiter bestehender Umgangskontakte des Kindes zu den leiblichen Eltern. Keine Beiladung des Sozialhilfeleistungsträgers zur Kindergeldklage der Pflegeeltern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch wenn die leibliche Mutter und die Pflegeeltern in einer Pflegevereinbarung vereinbart haben, dass vom Bereich der elterlichen Sorge das Recht, Kindergeld zu beziehen, für die Dauer der Pflege ausschließlich den Pflegeeltern zustehen soll, bestimmt sich allein nach § 62 ff. EStG, ob und gegenüber wem Kindergeld festzusetzen ist.

2. Ein Obhuts- und Pflegeverhältnis des Pflegekindes zu den leiblichen Eltern ist nicht mehr anzunehmen wenn die Obhut und Pflege gegenüber dem Kind vonseiten der leiblichen Eltern derart zurücktreten, dass sie im Wesentlichen nur noch durch die Pflegeeltern ausgeübt werden. War seitens des Jugendamtes eine längerfristige und jedenfalls deutlich länger als ein Jahr dauernde Unterbringung des dreijährigen Kindes bei den Pflegeeltern geplant, so bestehen keine für die Wahrung des Obhuts- und Pflegeverhältnisses ausreichenden Kontakte mehr zwischen Kind und leiblicher Mtter, wenn die Mutter nicht einmal die vereinbarten zunächst vierzehntätigen und dann einmonatigen Umgangskontakte vollständig wahrgenommen hat.

3. Zum Klageverfahren, mit dem die Pflegeeltern den Erhalt von Kindergeld für das Pflegekind erreichen wollen, muss der Sozialleistungsträger, an welchen das zugunsten der leiblichen Mutter des Kindes festgesetzte Kindergeld abgezweigt worden ist, nicht beigeladen werden, da der Abzweigungsbescheid kein Steuerbescheid nach § 155 AO ist.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 74 Abs. 2; FGO § 60 Abs. 3; AO § 174 Abs. 4-5; SGB X § 102

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 23. Juli 2009 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2009 wird die Beklagte verpflichtet, zugunsten der Klägerin für das Kind S, geboren am … 2006, ab Mai 2009 Kindergeld i.H.v. 164 EUR festzusetzen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Kindergeld für S (geboren am … Juni 2006) als Pflegekind ab Mai 2009.

S wurde im April 2009 in Vollzeitpflege nach § 33 Sozialgesetzbuch – SGB – VIII bei der Klägerin und ihrem Ehemann aufgenommen. Gemäß einer Bescheinigung des Landratsamts F vom 14. August 2009 sollte S auf unbestimmte Dauer bei der Pflegefamilie leben. Das Landratsamt stellte in dieser Bescheinigung ferner fest, dass ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht mehr bestehe, da bisher für die Wahrung des Obhuts- und Pflegeverhältnisses zu den leiblichen Eltern keine ausreichenden Kontakte bestünden. Die Klägerin schloss mit der beigeladenen Mutter eine auf den 1. Juli 2009 datierte Pflegevereinbarung, in der u.a. vereinbart wurde, dass die Klägerin für die Dauer der Pflege das Recht habe, Kindergeld für S zu beziehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Pflegevereinbarung vom 1. Juli 2009 verwiesen.

Die beigeladene Mutter und der Vater von S hatten nach der Aufnahme von S bei der Klägerin und ihrem Ehemann weiterhin Umgangskontakte mit ihrer Tochter. Dabei war zunächst vereinbart, dass S alle zwei Wochen, jeweils am Wochenende, beim Vater sowie bei der beigeladenen Mutter verbringen sollte. Im Juni 2009 wurden die Umgangskontakte neu festgelegt, damit in der Pflegefamilie auch an den Wochenenden ein normales Familienleben entstehen könne. Der Vater sollte S nun an einem Wochenende alle 4 Wochen, dazwischen an einem Nachmittag unter der Woche haben. Bei der beigeladenen Mutter sollte S alle 4 Wochen ein Wochenende verbringen, soweit diese nach ihrer gesundheitlichen Situation sowie Wohnsituation dazu in der Lage sei. Während der vereinbarte Umgangskontakt mit dem Vater weitgehend problemlos verlief, wurden die vereinbarten Umgangskontakte mit der beigeladenen Mutter von dieser nicht immer wie vereinbart wahrgenommen. Im Zeitraum vom 17. September 2009 bis 27. Oktober 2009 musste der Umgang für die beigeladene Mutter zeitweise ausgesetzt werden. Hinsichtlich des tatsächlichen Umgangs der beigeladenen Mutter und des Vaters mit S wird auf die Stellungnahme der Klägerin vom 20. März 2011 verwiesen.

Vor der Unterbringung von S bei der Klägerin lebte das Kind bei der beigeladenen Mutter, die das alleinige Sorgerecht besaß und Kindergeld bezog. Zum 27. November 2010 wurde die Unterbringung von S in der Pflegefamilie der Klägerin eingestellt. S wurde in den Haushalt des Vaters zurückgeführt.

Die B...

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