Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kindergeldanspruch eines Ägypters ohne den tatsächlichen Besitz eines Aufenthaltstitels, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt
Leitsatz (redaktionell)
Für den Kindergeldanspruch eines nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 1 EStG kommt es allein darauf an, dass tatsächlich ein Aufenthaltstitel mit der Berechtigung zur Erwerbstätigkeit erteilt worden ist. Ein hierauf gerichteter, rechtlich bestehender Anspruch gem. § 29 Abs. 5 Nr. 3 AufhG genügt nicht, wenn in dem bisherigen Aufenthaltstitel das Gegenteil ausgesprochen worden ist.
Normenkette
AufhG § 29 Abs. 5 Nr. 3; EStG § 62 Abs. 2 Nr. 2 Hs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Kindergeld für seinen am 01.11.2006 geborenen Sohn P. und für die am 25.06.2008 geborenen Zwillinge B. und C. hat.
Der Kläger und seine Ehefrau besitzen die ägyptische Staatsangehörigkeit und sind am 25.09.2007 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Die Ehefrau erhielt zur Durchführung eines Promotionsstudiums eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und der Kläger erhielt erstmalig am 06.11.2007 eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 30 Abs. 1 AufenthG (Ehegattennachzug). Die Aufenthaltsgenehmigung des Klägers (Bl. 10 der Kindergeldakte – KgA –) enthielt zunächst den folgenden Zusatz: „Selbständige und unselbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Gebunden an den Aufenthalt der Ehefrau. Selbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Unselbständige Erwerbstätigkeit nur mit Erlaubnis der zuständigen Ausländerbehörde gestattet. …”. Der Satz „Selbständige und unselbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet” wurde von der Ausländerbehörde am 01.10.2010 gestrichen (Bl. 28, 36 KgA). Der restliche Text blieb zunächst unverändert. Am 15.03.2012 wurden auch die Sätze „Selbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Unselbständige Erwerbstätigkeit nur mit Erlaubnis der zuständigen Ausländerbehörde gestattet” gestrichen und es wurde der handschriftliche Zusatz „Erwerbstätigkeit erlaubt” aufgenommen (Bl. 70 KgA).
Die Beklagte hatte in der Vergangenheit Anträge des Klägers auf Kindergeld bereits mehrfach abgelehnt, zuletzt mit Bescheid vom 13.04.2011. Einspruch wurde gegen diesen Bescheid nicht eingelegt.
Am 27.01.2012 hat der Kläger erneut Kindergeld für seine drei Kinder beantragt. Er wies in den nachfolgenden Schriftsätzen darauf hin, dass er in der Vergangenheit mehrfach die Erteilung einer Arbeitserlaubnis bei der Ausländerbehörde beantragt habe, diese ihm jedoch stets versagt worden sei. Dabei habe die Sachbearbeiterin allerdings § 29 Abs. 5 Nr. 3 AufenthG, wonach er – der Kläger – schon kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt gewesen sein, übersehen. Der Kläger reichte zudem eine Kopie seiner geänderten Aufenthaltserlaubnis mit dem Vermerk „Erwerbstätigkeit erlaubt” ein.
Die Beklagte gab dem Antrag unter Hinweis darauf, dass der Kläger erst seit März 2012 zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sei, mit Bescheid vom 23.04.2012 ab März 2012 statt. Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein, welcher mit Einspruchsentscheidung vom 23.05.2012 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Am 12.06.2012 stellte der Kläger einen Prozesskostenhilfeantrag für eine beabsichtigte Klage, welche die Festsetzung von Kindergeld für P. für November 2006 bis Februar 2012 und für die Zwillinge B. und C. von Juni 2008 bis Februar 2012 zum Gegenstand haben sollte. Der Senat, der über diesen Antrag ohne Kenntnis der Kindergeldakte zu entscheiden hatte, gab dem Antrag mit Beschluss vom 17.12.2012 lediglich in Bezug auf den Zeitraum November 2010 bis Februar 2012 statt. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf den Prozesskostenhilfebeschluss Bezug genommen.
Am 31.12.2012 hat der Kläger Klage erhoben und unter Bezugnahme auf den Prozesskostenhilfeantrag Wiedereinsetzung in die Klagefrist beantragt. Begehrt wurde mit der Klage ursprünglich die Festsetzung von Kindergeld für die Monate November 2009 bis Februar 2012. Das Verfahren betreffend Kindergeld für die Monate November 2009 bis April 2011 wurde mit Beschluss vom 22.02.2013 abgetrennt.
Der Kläger stützt seinen Anspruch darauf, dass ihm eine Erwerbstätigkeit schon kraft Gesetzes – nämlich durch § 29 Abs. 5 Nr. 3 AufenthG – gestattet gewesen sei. Nach dieser Vorschrift berechtigte eine Aufenthaltsgenehmigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden habe und die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers, zu dem der Familiennachzug stattfinde, weder mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 AufenthG versehen sei noch dessen Aufenthalt durch Gesetz oder Verordnung von einer Verlängerung ausgeschlossen sei. So verhalte es sich auch im Streitfall, so dass er – der Kläger – zwei Jahre nach Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung vom 06.11.2007 – d.h. ab dem 06.11.2009 – zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt gewese...