Revision eingelegt (BFH X R 15/20)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Berücksichtigung von in einem EU-Mitgliedstaat gezahlten Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben im Inland Kein nochmaliger Sonderausgabenabzug für in einem EU-Mitgliedstaat entrichtete und dort steuerlich berücksichtigte Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge im Inland
Leitsatz (amtlich)
Während dem Abzug luxemburgischer Pflegeversicherungsbeiträge als Sonderausgaben im Inland bei europarechtlich orientiertem Verständnis die gesetzliche (Neu-)Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1c) EStG nicht entgegensteht, ergibt sich kein Anspruch auf doppelte Berücksichtigung gezahlter Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge im Tätigkeits- und zudem im Wohnsitzstaat.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Nr. 3a Abs. 2 S. 1, § 10 Abs. 2 S. 1; DBA Luxemburg Art. 14 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob in Luxemburg vom Arbeitslohn einbehaltene Sozialversicherungsbeiträge im Inland als Sonderausgaben zu berücksichtigen sind.
Die Kläger sind verheiratet und werden für das Streitjahr 2014 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Seinen Beruf als Steuerberater übte der Kläger teilweise im Inland im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit aus, teilweise in Luxemburg im Rahmen einer nichtselbständigen Tätigkeit. Die in Luxemburg erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit sind im Inland steuerfrei und unterliegen lediglich dem Progressionsvorbehalt. Ausweislich der vom luxemburgischen Arbeitgeber des Klägers erstellten Lohnbescheinigungen wurden bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für den Lohnsteuerabzug "Sozialbeiträge" iHv 12.646,24 € in Abzug gebracht (s. Bl. 108 Einkommensteuerakte).
Die Einkommensteuer 2014 wurde mit Bescheid vom 3. Dezember 2015 antragsgemäß, aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem.§ 164 AO festgesetzt.
Am 22. Mai 2016 beantragten die Kläger, den Steuerbescheid 2014 dahingehend zu ändern, dass nachfolgende luxemburgische Sozialversicherungsbeiträge berücksichtigt werden sollten:
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung |
9.220,92 € |
Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung |
3.425,32 € |
Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung |
1.820,14 € |
|
14.466,38 € |
Sie verwiesen zur Begründung auf den Vorlagebeschluss des BFH vom 16. September 2015 I R 62/13 (BStBl II 2016, 205) und beantragten, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH ruhen zu lassen. Der Beklagte lehnte am 15. Juni 2016 die Änderung des Einkommensteuerbescheids 2014 ab.
Hiergegen erhoben die Kläger am 25. Juni 2016 Einspruch. In der Folge trugen sie zur Begründung vor, dass der EuGH im Urteil vom 22. Juni 2017 C-20/16 ("Bechtel"; BStBl II 2017, 1271) die vom BFH gestellten Rechtsfragen eindeutig beantwortet habe. Vor dem Hintergrund der Ausführungen des EuGH werde deutlich, dass die im BMF-Schreiben vom 11. Dezember 2017 IV C 3-S 2221/14/10005 (BStBl I 2017, 1624) genannte Voraussetzung für einen Sonderausgabenabzug in Deutschland, dass der Beschäftigungsstaat keinerlei Abzug der mit den steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Beiträge im Besteuerungsverfahren zulasse, dem EuGH-Urteil offensichtlich widerspreche bzw. diesem nicht zu entnehmen sei. Außerdem sei zu beachten, dass im Beschäftigungsstaat Luxemburg Beiträge zur Pflegeversicherung überhaupt nicht steuerlich abzugsfähig seien. Diese Beiträge seien daher nach dem EuGH-Urteil zwingend und ohne Einschränkungen in Deutschland als Sonderausgaben abzugsfähig, damit sie sich wenigstens einmal steuerlich auswirkten. Sowohl das o.a. BMF-Schreiben als auch das Jahressteuergesetz 2018 entsprächen nicht der EuGH- bzw. BFH-Rechtsprechung. Der BFH halte auch eine doppelte Berücksichtigung durchaus für möglich. Hierzu habe der EuGH sich - noch - nicht geäußert, was aber keineswegs automatisch bedeute, dass er einen doppelten Abzug ablehne. Zudem widerspreche es offensichtlich der BFH- und EuGH-Rechtsprechung, dass die gezahlten Pflegeversicherungsbeiträge sich weder im Tätigkeits- noch im Wohnsitzstaat auswirkten.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 25. April 2019 zurück. Die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit in Luxemburg seien nach dem DBA zwischen Deutschland und Luxemburg von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer auszunehmen. Sie seien aber gem. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG in die Ermittlung eines besonderen Steuersatzes einzubeziehen. Nach § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG (a.F.) sei Voraussetzung für den Abzug der in Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a bezeichneten Vorsorgeaufwendungen gewesen, dass diese nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stünden. Im vorliegenden Fall stünden die luxemburgischen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem steuerfreien Arbeitslohn. Der EuGH habe mitUrteil vom 22. Juni 2017 C-20/16...