Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 29
Ist nach § 43b EStG, § 50g EStG bzw. den jeweiligen DBA der Steuerabzug nur mit einem niedrigeren Steuersatz als nach innerstaatlichem Recht oder überhaupt nicht zulässig, so steht dem beschr. Stpfl. ein Anspruch auf Erstattung der danach zu viel einbehaltenen Steuer zu. § 50d Abs. 1 S. 2 EStG bestimmt ausdrücklich, dass durch die Verpflichtung des Vergütungsschuldners nach S. 1, den Steuerabzug durchzuführen, der Anspruch des Vergütungsgläubigers auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer nicht berührt wird. Rechtsgrundlage der Erstattung ist § 37 Abs. 2 AO i. V. m. dem jeweiligen DBA bzw. §§ 43b, 50g EStG. Weder die DBA noch die genannten innerstaatlichen Vorschriften enthalten Regelungen zu dem Erstattungsanspruch; dieser ergibt sich erst aus § 37 Abs. 2 AO. Es bestand zwar ein Rechtsgrund im Verhältnis zwischen Finanzbehörde und Vergütungsschuldner sowie im Verhältnis zwischen Vergütungsgläubiger und Vergütungsschuldner für den Steuerabzug bzw. den Haftungs- oder Nachforderungsbescheid, aber aufgrund der vollständigen oder teilweisen Freistellung durch DBA oder Gesetz (§ 43b EStG, § 50g EStG) kein Rechtsgrund im Verhältnis zwischen Finanzbehörde und Vergütungsgläubiger, nach dem die Finanzbehörde den Steuerbetrag endgültig behalten dürfte. Insoweit ist die Steuer also rechtsgrundlos gezahlt worden. Dagegen ist § 50d Abs. 1 S. 2 EStG keine selbstständige Rechtsgrundlage. Dem steht schon der Wortlaut der Vorschrift entgegen, der nur auf den Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO bzw. des jeweiligen DBA verweist, also selbst den Erstattungsanspruch nicht regelt. Eine Regelungslücke bezüglich § 50d Abs. 3 EStG ergibt sich dadurch nicht, da § 50d Abs. 3 EStG umfassend auf Abs. 1 und 2 und damit mittelbar auf die dort enthaltenen Erstattungsansprüche nach § 37 Abs. 2 AO i. V. m. dem jeweiligen DBA verweist.
Rz. 29a
Entsprechendes gilt, wenn die Einkünfte aus sonstigen Gründen nicht der deutschen Steuer unterlagen, aber ein Steuerabzug, z. B. ein LSt-Abzug, durchgeführt wurde. Ein Steuerabzug auf nicht stpfl. Einkünfte, z. B. Lohn- oder Kapitaleinkünfte, kann keine Steuerpflicht begründen. Die Abzugsteuer ist dann rechtsgrundlos gezahlt worden und in entsprechender Anwendung des Abs. 1 S. 2, m. E. i. V. m. § 37 Abs. 2 AO, an den Vergütungsgläubiger zu erstatten.
Rz. 29b
Ein weiterer Erstattungsanspruch ist in § 44a Abs. 9 EStG enthalten. Danach werden von der KapESt 2/5 erstattet, wenn der ausl. Gläubiger eine Körperschaft ist. Damit soll eine Überbesteuerung der Körperschaft, für die der Tarifsteuersatz nur 15 % plus SolZ beträgt, durch die KapESt von 25 % vermieden werden. Die Vorschrift ist gegenüber § 43b EStG und den Regelungen der DBA subsidiär, greift also regelmäßig nur ein, wenn zwischen der Bundesrepublik und dem Ansässigkeitsstaat kein DBA besteht. Zur Durchführung der Erstattung verweist § 44a Abs. 9 EStG auf § 50d Abs. 1 S. 3–12 sowie Abs. 3 und 4 EStG. § 50d Abs. 1 S. 1, 2 EStG sind naturgemäß nicht anwendbar, da es sich gerade nicht um einen Erstattungsanspruch nach § 43b EStG oder nach DBA handelt. Ebenfalls nicht anwendbar ist § 50d Abs. 2 EStG, sodass das Freistellungsverfahren nicht anwendbar ist. Voraussetzung der Erstattung durch das BZSt ist eine Ansässigkeitsbescheinigung nach § 50d Abs. 4 EStG. Um eine Erstattung zu verhindern, wenn eine natürliche Person eine Kapitalgesellschaft zwischenschaltet, ohne dass dies auf wirtschaftlichen Gründen beruht, ist auf die Erstattung nach § 44a Abs. 9 EStG auch § 50d Abs. 3 EStG anwendbar. Zur Anwendung des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG s. Rz. 33ff.
Rz. 30
Da die Abzugsteuer materiell eine Steuer desjenigen ist, der Gläubiger der Vergütungen ist, und die Abzugsteuer durch den Einbehaltungs- und Abführungspflichtigen auf seine Rechnung gezahlt wird, ist dieser Gläubiger der Vergütung der materiell Erstattungsberechtigte. Dies spricht § 50d Abs. 1 S. 2 EStG ausdrücklich aus. Diese Person ist aus deutscher Sicht auch Stpfl., der die Einkünfte zu versteuern hat, auf dessen Rechnung daher die Abzugsteuer gezahlt wird und dem daher auch die Erstattungsberechtigung zusteht. Maßgebend ist daher nicht, wer zivilrechtlich Gläubiger der Erträge oder Vergütungen ist, sondern, wem diese Erträge und Vergütungen steuerlich zuzurechnen sind und auf dessen Rechnung daher die Steuer einbehalten und abgeführt worden ist. Dies ist aus deutscher Sicht zu beurteilen, d. h., wer Gläubiger der Vergütung ist und wer Stpfl. der entsprechenden Einkünfte ist. Bei einer Personengesellschaft sind daher grundsätzlich die Gesellschafter erstattungsberechtigt, da die Steuer auf ihre Rechnung einbehalten und abgeführt wird. Diese Regelung bereitet jedoch Schwierigkeiten. Diese Probleme treten immer auf, wenn zivilrechtlicher Gläubiger eine Gesellschaft ist, die Einkünfte steuerlich aber dem Gesellschafter zugerechnet werden (Personengesellschaft, atypische stille Gesellschaft, KGaA), oder weil der Ansässigkeitsstaat des ausl. Ve...