Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn zwischen dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen sowohl eine personelle als auch eine sachliche Verflechtung besteht. Die Grundsätze der Betriebsaufspaltung kommen auch dann zur Anwendung, wenn ein inländisches Besitzunternehmen ein im Ausland belegenes Grundstück an eine ausländische Betriebskapitalgesellschaft verpachtet.Sachliche Verflechtung setzt voraus, dass das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt, die für das Betriebsunternehmen wesentliche Betriebsgrundlagen darstellen.
Dies werden i. d. R. Grundstücke sein, die dem Betriebsunternehmen für die Produktion oder die Verwaltung überlassen werden. Wesentliche Betriebsgrundlage kann jedoch auch ein Teil eines normalen Einfamilienhauses sein, den die Betriebs-GmbH als einziges Büro (Sitz der Geschäftsleitung) nutzt sowie das Dachgeschoss eines mehrstöckigen Hauses. Das einzelne Geschäftslokal eines Filialeinzelhandelsbetriebs ist regelmäßig auch dann wesentliche Betriebsgrundlage, wenn auf das Geschäftslokal weniger als 10 % der gesamten Nutzfläche des Unternehmens entfällt. Eine sachliche Verflechtung ist auch dann anzunehmen, wenn die wesentliche Betriebsgrundlage, die ein Gesellschafter einer Betriebs-Kapitalgesellschaft überlässt, zwar nicht im Eigentum des Gesellschafters steht, er sie aber aus eigenem Recht nutzen kann und zur Nutzungsüberlassung berechtigt ist.
Bestellt der Eigentümer an einem unbebauten Grundstück ein Erbbaurecht und errichtet der Erbbauberechtigte ein Gebäude, das er an ein Betriebsunternehmen vermietet, fehlt zwischen dem Eigentümer und dem Betriebsunternehmen die für die Annahme einer Betriebsaufspaltung erforderliche sachliche Verflechtung.
Die personelle Verflechtung von Besitz- und Betriebsunternehmen setzt voraus, dass die hinter beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben, den sie in beiden Unternehmen durchsetzen können. Bei Beurteilung der personellen Verflechtung ist den Erben das Handeln eines Testamentsvollstreckers zuzurechnen. Im Ausnahmefall kann eine personelle Verflechtung trotz fehlender qualifizierter Stimmenmehrheit in Form der faktischen Beherrschung vorliegen. Wird eine Betriebsaufspaltung durch Entnahme der GmbH-Anteile (und Beendigung der personellen Verflechtung) beendet, stellt diese Entnahme keinen gewerbesteuerpflichtigen Vorgang dar.
Das Doppelvertretungsverbot des § 181 BGB steht der Annahme einer Beherrschungsidentität von Gesellschafter-Geschäftsführern aus Besitz-GbR und Betriebs-GmbH nicht entgegen, wenn die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen die Umgehung dieses Verbots durch Übertragung der Vertretung auf eine andere Person ermöglichen.
Eine Betriebsaufspaltung liegt nicht vor, wenn der das Besitzunternehmen beherrschende Gesellschafter in der Betriebskapitalgesellschaft nur über exakt 50 % der Stimmen verfügt. Dabei sind dem Gesellschafter die Stimmen seines ebenfalls beteiligten minderjährigen Kindes jedenfalls dann nicht zuzurechnen, wenn in Bezug auf dessen Gesellschafterstellung eine Ergänzungspflegschaft besteht.
Hat die mehrheitlich an einer Betriebsgesellschaft beteiligte Kommanditistin einer Besitzgesellschaft aufgrund der ihr als Treuhänderin gegenüber Treugebern obliegenden Treuepflicht in der Gesellschafterversammlung der Besitz-KG ihre eigenen Interessen überwiegend den Interessen der Treugeber unterzuordnen, so scheidet die Annahme einer personellen Verflechtung aus. Liegt eine Betriebsaufspaltung vor, muss sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen jeweils eine Gewerbesteuererklärung abgeben. Die Befreiung der Betriebskapitalgesellschaft nach § 3 Nr. 30 Buchst. c GewStG erstreckt sich auch auf die Verpachtungstätigkeit der Besitzpersonengesellschaft. In jedem Fall kommt eine weitergehende Ausdehnung der Steuerbefreiung nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung auf andere Fallkonstellationen nicht in Betracht.
Der BFH hat mit Urteil vom 16.9.2021 entgegen der bisherigen Verwaltungsauffassung und Rechtsprechung entschieden, dass auch eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-Personengesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zu berücksichtigen ist. Bislang wurde bei einer Beteiligung an einer Besitz-Personengesellschaft, die ausschließlich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, wegen des sog. Durchgriffsverbots weder die Beteiligung an der Betriebsgesellschaft noch eine damit verbundene Beherrschungsfunktion der Besitzgesellschaft zugerechnet. Die Finanzverwaltung hat daraufhin angeordnet, dass aus Vertrauensschutzgründen eine solche Beteiligung bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung – als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung – erst ab dem VZ 2024 zu berücksichtigen ist.