Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Bei einem Grenzgänger in die Schweiz, der Dienstreisen in Deutschland unternimmt, sind diese Tage keine Nichtrückkehrtage (Art. 15a Abs. 2 DBA-CH). Überschreiten sie den Grenzbetrag von 60, geht die Grenzgängereigenschaft nicht verloren, so dass der Grenzgänger weiterhin in Deutschland steuerpflichtig ist.
Sachverhalt
Streitig war die abkommensrechtliche Einordnung von Dienstreisen, die der Kläger, ein Grenzgänger mit Wohnsitz in Deutschland und Berufstätigkeit in der Schweiz, in den Streitjahren 2001 und 2002 in Deutschland unternahm. Die Dienstreisen trat der Kläger an seinem Wohnort an und fuhr am Ende der Reise dorthin zurück. In dieser Zeit fuhr er nicht zu seiner Arbeitsstätte in die Schweiz (49 Tage in 2001 und 52 Tage in 2002). Weitere Dienstreisen erfolgten in Drittstaaten (14 Tage in 2001 und 9 Tage in 2002). Die Anzahl der Nichtrückkehrtage belief sich für 2001 auf 63 und für 2002 auf 61 Tage. Bei der Berechnung dieser Tage stützte sich der Kläger auf eine generelle Verständigungsvereinbarung zwischen den Finanzverwaltungen beider Länder. In seinen Steuererklärungen für 2001 und 2002 beantragte er, seine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in der Schweiz zu versteuern, da er an mehr als 60 Tagen nicht an seinen Wohnort zurückgekehrt war und damit die Grenzgängereigenschaft verloren hatte. Das Finanzamt sah hingegen die Grenzgängereigenschaft als erfüllt an.
Entscheidung
Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. Nach Auffassung des Senats war der Kläger als Grenzgänger in Deutschland steuerpflichtig. Der Kläger hat die deutsch-schweizerische Grenze in 2001 an 150 Tagen und in 2002 an 152 Tagen passiert. Bei der Berechnung der Nichtrückkehrtage i. S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-CH, die ab 60 Tagen zum Wegfall der Grenzgängereigenschaft führen, sind die Dienstreisen nach Deutschland nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger an diesen Tagen nicht von seinem Arbeitsort in der Schweiz an seinen Wohnort nicht zurückgekehrt ist. Vielmehr hat er sich während der Dauer der Dienstreise täglich in seinem Ansässigkeitsstaat aufgehalten. Der Senat begründet diese Auslegung des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-CH mit dem Sinn und Zweck der Norm. Die Einkünfte der Grenzgänger werden grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat versteuert. Das Besteuerungsrecht soll nur dann auf den Tätigkeitsstaat übergehen, wenn eine vergleichsweise intensive Eingliederung in die betriebliche Organisation im Tätigkeitsstaat besteht. Die Dienstreisen, die der Kläger in seinem Wohnsitzstaat ausgeführt hat, zeigen hingegen seine Verbundenheit zu diesem Staat, so dass das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates bestehen bleibt.
Hinweis
Die Entscheidung des FG ist nicht rechtskräftig (Az. beim BFH: I R 66/08). Es bleibt abzuwarten, ob sich der BFH der Abkommensauslegung des FG anschließt oder den Tatbestand der Nichtrückkehr an den Wohnort als erfüllt ansieht.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 05.06.2008, 3 K 142/07