Leitsatz
Die Zumutbarkeit der Rückreise ist zu verneinen, wenn die Straßenentfernung mehr als 110 km beträgt oder wenn die für die einfache Wegstrecke von der Arbeitsstätte zum Wohnort benötigte Zeit mit dem Transportmittel 1 1/2 Stunden übersteigt. Nur wenn die Voraussetzungen eines Grenzgängers erfüllt sind, ist nach Art. 15 Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz zu prüfen, ob die Nichtrückkehr zum Wegfall der Grenzgängereigenschaft führt.
Sachverhalt
Hintergrund des Streits ist die Grenzgängerregelung in Art. 15a DBA-Schweiz. Grenzgänger sind Personen, die grundsätzlich arbeitstäglich zwischen Wohnort und ausländischem Arbeitsort pendeln. Für diese Personen hat der Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht, allerdings darf der Tätigkeitsstaat eine Steuer in Höhe von 4,5 % der Bruttovergütung erheben, die vom Ansässigkeitsstaat angerechnet wird. Ist der Ansässigkeitsstaat Deutschland, hat der Steuerpflichtige aufgrund des niedrigeren Steuerniveaus in der Schweiz das Interesse, dass die Grenzgängerregelung nicht zur Anwendung gelangt, da Deutschland dann die Freistellungsmethode (unter Progressionsvorbehalt) anwenden muss. Die Grenzgängerregelung entfällt wie gewünscht dann, wenn die Person bei einer ganzjährigen Beschäftigung an mehr als 60 Kalendertagen aufgrund der Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz in Deutschland zurückkehrt.
Der Kläger wohnte im Streitjahr 2014 in Deutschland und hat als Arzt eine Vertretungstätigkeit in der Schweiz ausgeübt. Er beantragte die Besteuerung in der Schweiz und die Freistellung (unter Progressionsvorbehalt) in Deutschland, da er kein Grenzgänger sei. Eine tägliche Heimfahrt sei aufgrund der Entfernung von mehr als 200 km vom Tätigkeitsort zum Wohnort und der 24-Stunden-Dienste während der Arbeitseinsätze nicht möglich gewesen. Das Finanzamt dagegen argumentiert, dass bei mehrtägigen Schichttätigkeiten als Nichtrückkehrtage nur diejenigen Tage zu zählen seien, an denen der Arbeitnehmer im Anschluss an die Tätigkeit nicht an seinen Wohnort zurückkehrt.
Entscheidung
Die Klage ist begründet. Die Zumutbarkeit der Rückreise ist zu verneinen, wenn die Straßenentfernung mehr als 110 km beträgt oder wenn die für die einfache Wegstrecke von der Arbeitsstätte zum Wohnort benötigte Zeit mit dem Transportmittel 1 1/2 Stunden übersteigt. Dies lag hier, aufgrund der Entfernung von 207 km und der Dauer für eine einfache Strecke von 3 Stunden, vor. Damit hat der Kläger keinen Grenzgängerstatus i. S. v. Art. 15a DBA-Schweiz. Es kommt daher auch nicht mehr darauf an, ob die Annahme einer regelmäßigen Rückkehr nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass sich die Arbeitsausübung berufsbedingt über mehrere Tage erstreckt. Denn aus Art. 15a DBA-Schweiz folgt, dass erst die Voraussetzungen eines Grenzgängers erfüllt sein müssen. Nur in diesem Fall wäre weiter zu prüfen, ob die Nichtrückkehr zum Wegfall der Grenzgängereigenschaft führt.
Hinweis
Das Urteil ist zu begrüßen, da das Finanzgericht konsequent Systematik und Wortlaut der Art. 15 und 15a DBA-Schweiz berücksichtigt, um die für den Steuerpflichtigen günstige Auslegung zu erreichen. Im Ergebnis ist den Steuerpflichtigen für die Verneinung der Grenzgängereigenschaft eine klare Weg- und Zeitgrenze gegeben, die auch durch berufsbedingte längere Schichten nicht angegriffen werden kann.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 12.09.2018, 15 K 1010/18