Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Die Steuervergünstigungen nach §§ 5 und 6 GrEStG kommen grundsätzlich bei allen Tatbeständen i. S. d. § 1 GrEStG in Betracht. Besonderheiten gelten bei § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG. Die Erwerbsvorgänge müssen inländischen Grundbesitz betreffen.
3.1 Anwendung in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG
Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von 10 Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 90 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf die Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft.
Die Anwendung des § 5 GrEStG auf die Tatbestände des § 1 Abs. 2a GrEStG scheidet aus, da diese Vorgänge Rechtsgeschäfte betreffen, an denen (fiktiv) ausschließlich Personengesellschaften beteiligt sind. In diesen Fällen liegt regelmäßig kein Grundstücksübergang von Allein- oder Miteigentümern auf eine Gesamthand vor.
Dagegen ist § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG in diesen Fällen anwendbar. Die Steuer wird nicht erhoben, soweit der Anteil des in der fiktiv neuen Gesellschaft verbleibenden Gesellschafters dem Anteil entspricht, mit dem er am Vermögen der Gesamthand vor dem Gesellschafterwechsel beteiligt war. Das Ausmaß der Vergünstigung ist auf die Deckungsgleiche der ursprünglichen unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung am Vermögen der grundbesitzenden Personengesellschaft sowie der unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung am Vermögen der neuen Personengesellschaft beschränkt.
Erfolgt die Änderung des Gesellschafterbestands in mehreren Teilakten, kommt es für das Ausmaß der Vergünstigung auf den Gesellschafterbestand vor dem ersten und nach dem letzten Teilakt an. Bei Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG verliert ein Gesellschafter, der zwischenzeitlich ausscheidet, seine Altgesellschafterstellung und ist beim Wiedereintritt zwingend als Neugesellschafter anzusehen. Ein zwischenzeitliches Ausscheiden des Altgesellschafters ist im Rahmen des § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG unbeachtlich. Maßgeblich ist, dass dieser seine Gesellschafterstellung mindestens bis zum ersten Teilakt innehatte und spätestens mit dem letzten Teilakt wieder erlangt. Das Gleiche gilt bei mehrstöckigen Personengesellschaften.
Beteiligung von Kapitalgesellschaften
§ 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG ist im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG nach dem Zweck der Vorschriften einschränkend auszulegen. Kapitalgesellschaften, die durch die Änderung ihrer Beteiligungsverhältnisse um mindestens 90 % als Neugesellschafter anzusehen sind, gelten im Rahmen der Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG als nicht am Vermögen der fiktiv neuen Gesamthandsgemeinschaft beteiligt. Würde für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG im Fall eines fiktiven Grundstücksübergangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG allein auf die unmittelbare Beteiligung der Mitglieder der neuen Personengesellschaft abgestellt, so würden zugleich alle mittelbaren Änderungen im Gesellschafterbestand, die § 1 Abs. 2a GrEStG seit dem 1.1.2000 ausdrücklich als steuerbar erfasst, durch die gegenläufige Begünstigung aus § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG wieder neutralisiert. Letzteres ist vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigt. Kapitalgesellschaften, deren Gesellschafterbestand sich i. H. v. mindestens 90 % ändert, sind nicht mehr i. S. v. § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG am Vermögen der – fiktiv – neuen Gesamthandsgemeinschaft beteiligt.
Übertragung in mehreren Teilakten
Am Vermögen einer grundbesitzenden KG sind A und eine OHG seit 10 Jahren zu je 50 % unverändert beteiligt. Am Vermögen der OHG sind B und C zu je 50 % beteiligt.
Im Jahr 01 veräußert A 43 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen an die OHG und 7 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen an Z.
Im Jahr 02 veräußert die OHG ihre Anteile i. H. v. 93 % an eine GmbH & Co. KG, deren einziger Kommanditist A ist. Die Komplementär-GmbH ist vermögensmäßig nicht an der KG beteiligt.
Lösung:
Jahr 01:
Die Anteilsübertragungen im Jahr 01 erfüllen nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG, da nicht innerhalb von 10 Jahren mindestens 90 % der Anteile am Vermögen der KG (A an Z 7 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind. Die Anteilsübertragung auf die OHG ist bei der Berechnung der maßgeblichen Beteiligungsgrenze nicht zu berücksichtigen, da die OHG Altgesellschafterin der KG ist.
Jahr 02:
Die Anteilsübertragungen in den Jahren 01 und 02 erfüllen zusammen den Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG, da innerhalb von 10 Jahren mindestens 90 % der Anteile am Vermögen der KG (Jahr 01: A an Z 7 % + Jahr 02: OHG an GmbH & Co. KG 93 %) auf Neugesellschafter übergegangen sind.
Obwohl A durch die Anteilsübertragungen auf Z und die OH...