Leitsatz
Übernimmt der Arbeitgeber die Straßenbenutzungsgebühren (Vignetten, Mautgebühren) für die mit einem Firmenwagen unternommenen Privatfahrten seines Arbeitnehmers, liegt darin die Zuwendung eines geldwerten Vorteils, der nicht von der Abgeltungswirkung der 1 %-Regelung erfasst wird.
Normenkette
§ 8 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war in den Streitjahren 1996 und 1997 als Geschäftsführer bei einer Gesellschaft (Arbeitgeberin) angestellt. Für seine Tätigkeit stand ihm ein Dienstwagen zur Verfügung, den er auch privat nutzen durfte. Den geldwerten Vorteil versteuerte der Kläger nach der 1%-Regelung.
Die Arbeitgeberin zahlte in den Streitjahren u.a. die Kosten für einen auf den Kläger ausgestellten ADAC-Euro-Schutzbrief (jeweils 69 DM jährlich) sowie für Autobahnvignetten (1996: 130 DM) und Mautgebühren (1996: 1.033 DM, 1997: 926 DM) für mit dem Dienstwagen privat zurückgelegte Strecken, ohne hierfür LSt einzubehalten.
Das FA vertrat die Auffassung, der Kläger müsse die Vorteile aus der Übernahme der Kosten für den Schutzbrief und die Straßenbenutzung noch versteuern. Die Abgeltungswirkung der 1%-Regelung greife insoweit nicht ein. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Auffassung der Vorinstanz. Der geldwerte Vorteil aus der arbeitgeberseitigen Übernahme der Straßenbenutzungsgebühren und der Schutzbriefkosten seien nicht durch die pauschale Erfassung der Privatnutzung des Dienstwagens nach der 1%-Regelung abgegolten; sie unterlägen vielmehr als Arbeitslohn der Besteuerung.
Hinweis
1. Der geldwerte Vorteil für die private Kfz-Nutzung kann ab 1996 nach zwei Methoden bestimmt werden: Einmal, indem die monatliche Nutzung pauschal mit einem Prozent des Kfz-Listenpreises angesetzt wird (sog. 1%-Regelung), zum anderen, indem die Kosten des Pkw durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten zu den beruflichen durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (Fahrtenbuchmethode). Beide Methoden – dies hatte der BFH bereits in seinem Urteil vom 7.6.2002, VI R 145/99, BFH-PR 2002, 416 ausgeführt – haben hinsichtlich des Umfangs der erfassten Kosten einen gleichartigen Regelungsinhalt.
2. In § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG und § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG, die die Ermittlung des privaten Nutzungsanteils an einem betrieblichen Kfz mittels der sog. Fahrtenbuchmethode regeln, meint der Begriff der "insgesamt entstehenden Aufwendungen" sowohl im Bereich der Gewinneinkünfte als auch im Bereich der Überschusseinkünfte dasselbe. Der insoweit abweichende Gesetzeswortlaut "für das Kraftfahrzeug" und "durch das Kraftfahrzeug" bedeutet keine inhaltliche Differenzierung dessen, was in den anzusetzenden Kfz-Aufwendungen enthalten ist. Unternehmer und Arbeitnehmer sollen beim Ansatz der einfließenden Kfz-Aufwendungen gleich behandelt werden.
3. Mit der 1%-Regelung abgegolten sind feste Kosten wie z.B. Steuer, Versicherung, AfA und Garagenmiete bzw. fahrleistungsabhängige Kosten wie Kraftstoff, Bereifung, Reparaturen, Inspektionen und Ähnliches, deren Höhe bei privater und beruflicher Nutzung je km gleich bleibt.
4. Der BFH schloss sich im Übrigen der Auffassung der Finanzverwaltung an, wonach Aufwendungen für die Straßenbenutzung (z.B. private und öffentliche Parkgebühren, Anwohner-Parkberechtigungen, Mautgebühren, Straßenvignetten) und für den Transport des Kfz (z.B. Autoreisezug, Fähren) nicht zu den Gesamtkosten des Kfz gehören. Sie sind vielmehr Reisenebenkosten. Diese Aufwendungen sind folglich nicht mit der 1%-Regelung abgegolten.
Soweit solche Reisenebenkosten mit der beruflichen Reisetätigkeit zusammenhängen, können sie durch den Arbeitgeber nach § 3 Nr. 13 bzw. Nr. 16 steuerfrei erstattet werden. Erstattet der Arbeitgeber diese Aufwendungen anlässlich von Privatfahrten, liegt steuerpflichtiger Arbeitslohn vor.
5. Ein Blick in die gesetzliche Entstehungsgeschichte der 1%-Regelung bestätigt die Richtigkeit des o.a. Ergebnisses. Im Zug einer Modellrechnung zur Begründung des Maßstabs von 1 % des Listenpreises rekurrierten die Gesetzgebungsorgane seinerzeit auf einen Kostenansatz von 0,52 DM je gefahrenen Kilometer. Dieser Betrag entsprach der Höhe nach dem seinerzeit geltenden pauschalen Kilometersatz, mit dem die Finanzverwaltung die Fahrtkosten bei Benutzung eines Kfz auch ohne Einzelnachweis der tatsächlichen Gesamtkosten für das Fahrzeug anerkannte. Zu den damit abgegoltenen Fahrtkosten i.S.d. Verwaltungsregelung gehörten die Park- und Straßenbenutzungsgebühren aber nicht.
6. Die Abgeltungswirkung der 1%-Regelung greift auch nicht bei einer arbeitgeberseitigen Übernahme der Kosten für den ADAC-Euro-Schutzbrief. Diese Aufwendungen sind durch die ADAC-Mitgliedschaft an sich, nicht aber "für" oder "durch" das Kfz veranlasst. Sie gehören nicht zu den Gesamtkosten des Kfz.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.9.2005, VI R 37/03