Leitsatz
§ 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402) sind auf Entnahmen vor dem 1.1.1999 nicht anzuwenden (gegen BMF-Schreiben vom 5.10.2000, BStBl I 2000, 1383, Tz. 1).
Normenkette
§ 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 EStG
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Anschaffungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402) auch auf Grundstücksentnahmen vor dem 1.1.1999 anwendbar ist. Der Kläger erhielt im Jahr 1993 von seinen Eltern im Weg der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück unentgeltlich übertragen, das bis dahin Betriebsvermögen des landwirtschaftlichen Betriebs der Eltern gewesen war, durch die Übertragung aus dem Betriebsvermögen entnommen und vom Kläger im Privatvermögen gehalten wurde. Im Streitjahr veräußerte der Kläger das Grundstück.
Das FA erfasste den daraus erklärten Gewinn im ESt-Bescheid für das Streitjahr. Das nach erfolglosem Einspruchsverfahren angerufene FG gab der Klage mit der Begründung statt, der erst ab dem 1.1.1999 geltende § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG sei nicht auf Entnahmen vor diesem Zeitpunkt anzuwenden. Hiergegen richtet sich die Revision des FA.
Entscheidung
Wie schon die Vorinstanz hat der BFH die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verneint. Der Kläger habe das streitige Grundstück im Weg der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich erworben und deshalb nicht angeschafft (vgl. BFH, Urteil vom 22.9.1987, IX R 15/84, BStBl II 1988, 250). Die Entnahme dieses Grundstücks durch seine Eltern im Jahr 1993 gelte nicht als Anschaffung i.S.v. § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG und sei dem Kläger nicht gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG zuzurechnen.
Hinweis
1. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungsgeschäften steuerbar, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Voraussetzung ist danach zunächst eine tatsächliche oder eine gesetzlich fingierte Anschaffung, ohne sie wird eine Veräußerung nicht nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG erfasst (BFH, Beschluss vom 16.12.2003, IX R 46/02, BFH-PR 2004, 180). Dementsprechend ist die Entnahme eines Grundstücks aus einem Betriebsvermögen – mangels Erwerb (§ 255 Abs. 1 HGB) – keine Anschaffung (BFH, Urteil vom 23.4.1965, VI 34/62 U, BStBl III 1965, 477).
Lediglich nach § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG gilt die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch Entnahme als Anschaffung, die – wenn sie durch den Rechtsvorgänger vorgenommen wurde – bei unentgeltlichem Erwerb gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG dem Einzelrechtsnachfolger zuzurechnen ist; diese Fiktion ist gem. § 52 Abs. 1 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1999 anzuwenden. Danach kann die Fiktion schon nach ihrem Wortlaut nicht auf Entnahmen vor dem 1.1.1999 angewendet werden (a.A. BMF, Schreiben vom 5.10.2000, BStBl I 2000, 1383, Tz. 1; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 25. Aufl., § 23, Rz. 33).
Dass dies auch dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ergibt sich mittelbar aus § 52 Abs. 39 EStG zur Anwendung des – hier nicht betroffenen – § 23 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG. Denn sie beschränkt die Anwendung der dort geregelten Veräußerungsfiktion im Fall der Einlage (§ 23 Abs. 1 Satz 5 EStG) ausdrücklich auf Einlagen nach der Gesetzesänderung und bringt damit den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Fiktion auf Sachverhalte zu beschränken, die nach ihrer Einführung verwirklicht werden; dieser Grundgedanke ist auf die Anschaffungsfiktion im Fall der Entnahme (§ 23 Abs. 1 Satz 2 EStG) übertragbar.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.10.2006, IX R 5/06