Leitsatz
1. Zu einem Klageverfahren, in dem geltend gemacht wird, der Rechnungsaussteller sei auch Lieferer gewesen, ist ein alternativ in Betracht kommender Lieferer nicht notwendig beizuladen.
2. Das Verfahren über eine Beschwerde des Beigeladenen wird als unselbstständiges Nebenverfahren durch die Insolvenz des Klägers unterbrochen.
Normenkette
§ 60 Abs. 1 Satz 1 FGO , § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO , § 240 ZPO
Sachverhalt
Im Hauptsacheverfahren geht es darum, ob der Klägerin der Vorsteuerabzug aus Rechnungen der H-GmbH über den Kauf von Fahrzeugen zusteht. Das ist nur dann der Fall, wenn die H-GmbH auch als Lieferer der Fahrzeuge anzusehen ist. Das FA hat dies bezweifelt, denn die H-GmbH (Sicherungsgeberin) hatte die Fahrzeuge als Kreditsicherheit an eine Bank (Beigeladene) übereignet. Nach Eintritt des Sicherungsfalls (Insolvenz der H-GmbH) kündigte die Bank fristlos die Kredite und forderte sie auf, die Fahrzeuge zur Abholung bereitzustellen. Schließlich verkaufte die H-GmbH – im Einverständnis mit der Bank – diese Fahrzeuge an die Klägerin und tilgte die Kredite.
Das FA und FG meinten, Lieferantin der Klägerin sei nicht die H-GmbH, sondern die Bank gewesen ("Doppelumsatz"); ein Vorsteuerabzug aus der Rechnung der H-GmbH sei deshalb nicht möglich.
Auf Anregung der Klägerin hatte das FG die Bank beigeladen. Es nahm einen Fall der notwendigen Beiladung an. Dagegen wehrte sich die Bank, um zu vermeiden, dass ohne Rücksicht auf die möglicherweise bis zur endgültigen Entscheidung verstrichene Festsetzungsfrist bei ihr die Folgen aus der Entscheidung gezogen werden können. Das FA hatte – wie so oft – keine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 AO veranlasst.
Entscheidung
Der BFH hob den Beiladungsbeschluss auf. Zwar kommen als Lieferer nur die H-GmbH oder die Bank in Betracht. Für eine notwendige Beiladung reicht dieser Zusammenhang aber nicht aus, da eine Entscheidung über den Vorsteuerabzug der Klägerin nicht unmittelbar in die Rechtssphäre der beigeladenen Bank eingreift.
Während des Beschwerdeverfahrens Revisionsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet. Der Streit über die Beiladung ist ein unselbstständiges Nebenverfahren und teilt deshalb grundsätzlich auch hinsichtlich der Unterbrechung das Schicksal der Hauptsache. Nimmt der Insolvenzverwalter das Verfahren in der Hauptsache auf, gilt dies auch für des Nebenverfahren (§ 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO).
Hinweis
Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, welche Leistungsbeziehungen beim Verkauf sicherungsübereigneter Gegenstände nach Eintritt des Sicherungsfalls durch den Sicherungsgeber zu berücksichtigen sind ("Doppelumsatz"/Dreifachumsatz/nur ein Umsatz, weil der Sicherungscharakter das Rechtsgeschäft zwischen Bank und Kreditnehmer = Sicherungsgeber prägt?). Halten Sie solche Fälle offen. Die Besprechungsentscheidung betrifft eine solche Fallkonstellation, aber ein Beiladungsproblem:
Besteht mit dem FA Streit, wer die Leistung erbracht hat, hat der Leistungsempfänger, der die Vorsteuer geltend macht, ein Interesse, die denkbaren Lieferanten im Prozess zu beteiligen, um die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug definitiv geklärt zu haben. Eine Streitverkündung gibt es im finanzgerichtlichen Verfahren nicht, sondern nur die – notwendige oder einfache – Beiladung. Nur um die Beiladung geht es im Besprechungsurteil.
Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte beizuladen, wenn sie an einem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung). Das ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidung selbst – nach Maßgabe des materiellen Steuerrechts – notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt.
Die notwendige Beiladung – deren Unterlassung einen Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) darstellt (!) und die deshalb auch ohne Rücksicht auf den Willen der Beteiligten erfolgen muss – soll sicherstellen, dass eine Sachentscheidung, die unmittelbar die Rechte des Dritten betrifft, nicht ohne Beteiligung dieses Dritten erlassen wird. Die Entscheidung selbst muss in die Rechte des Dritten eingreifen.
Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung liegen deshalb nicht vor, wenn eine Entscheidung nur logischerweise materiellrechtliche Folgen in einem anderen Steuerrechtsverhältnis hat. Beispiel: Der Streit um die Steuerpflicht oder Steuerfreiheit einer Leistung berührt nicht nur die Umsatzsteuer des Leistenden, sondern auch die des Leistungsempfängers, der aus der Rechnung den Vorsteuerabzug begehrt. Die Folgen sind aber in einem anderen Steuerbescheid zu ziehen.
Nur eine einfache Beiladung ist möglich. Eine einfache Beiladung gegen den Willen des Beiladungsprätendenten kommt jedoch nur ausnahmsweise (!) in Betracht; denn sie dient auch den Interessen des Beizuladenden.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 27.2.2003, V B 131/01