Leitsatz
1. Ist die Frist zur Begründung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision abgelaufen, weil die Beschwerdebegründung nicht fristgerecht abgegeben worden ist und ein Antrag auf Verlängerung der Frist innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist nicht gestellt oder ihm nicht entsprochen worden ist, so kann die Fristversäumnis nur geheilt werden, wenn innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist die Beschwerdebegründung nachgeholt wird.
2. Wird Wiedereinsetzung begehrt, weil ein zur Post gegebenes Schriftstück den Adressaten nicht erreicht habe, so ist eine lückenlose und schlüssige Darstellung des Absendevorgangs dahin erforderlich, welche Person zu welcher Zeit in welcher Weise den Brief, in dem sich das betreffende Schriftstück befunden haben soll, aufgegeben hat. Die bloße Vorlage des Postausgangsbuchs genügt nicht.
Normenkette
§ 56 FGO , § 116 FGO
Sachverhalt
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem FG-Urteil war vom Steuerpflichtigen Beschwerde erhoben worden; die Begründung wurde jedoch verspätet abgegeben.
Zur Entschuldigung wurde Folgendes vorgetragen: Noch innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist sei an den BFH ein Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist abgesandt worden. Das ergebe sich aus folgendem Eintrag im Postausgangsbuch: "Bundesfinanzhof Münch München 0,56". Auf Nachfrage sei allerdings festgestellt worden, dass dieser Antrag offenbar beim BFH nicht eingegangen sei; deshalb sei noch am selben Tag dem BFH der Fristverlängerungsantrag per Telefax übermittelt und kurz darauf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Stellung des Antrags auf Fristverlängerung bezüglich der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellt worden.
Entscheidung
Der BFH hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Erstens sei nämlich die Beschwerdebegründung nicht innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 FGO nachgeholt worden und zweitens die rechtzeitige Absendung des Fristverlängerungsantrags durch das sog. Postausgangsbuch nicht ausreichend glaubhaft gemacht; es fehle der Bezug zu dem Verfahren des betreffenden Steuerpflichtigen und zur Art des versendeten Schriftstücks.
Hinweis
1. Wollen Sie sich wegen Nichtzulassung der Revision beim BFH beschweren, müssen Sie die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des FG-Urteils beim BFH einlegen und innerhalb von zwei Monaten begründen. Die Einlegungsfrist kann nicht, die Begründungsfrist nur einmal um einen Monat verlängert werden; das setzt voraus, dass Sie innerhalb der vorgenannten Zweimonatsfrist einen Fristverlängerungsantrag beim BFH stellen.
2. Haben Sie eine Frist versäumt, können Sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten; das setzt jedoch u.a. voraus,
- dass Sie ohne Verschulden verhindert waren, die Frist einzuhalten,
- dass Sie die Tatsachen, aus denen sich dies ergibt, innerhalb der in § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO bezeichneten Frist vortragen und spätestens im Verfahren über den Antrag glaubhaft machen und
- dass Sie innerhalb der eben erwähnten Frist die versäumte Rechtshandlung nachholen (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO).
3. Ist die Frist zur Begründung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision abgelaufen, ohne dass die Beschwerdebegründung abgegeben worden ist, so kann die Fristversäumnis nur geheilt werden, wenn innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (zwei Wochen, § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) die Beschwerdebegründung nachgeholt wird. Es reicht also nicht etwa aus, dass Sie innerhalb dieser Frist den zunächst beim BFH nicht angebrachten Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist stellen. Für den Fall der Versäumnis der Revisionsbegründungsfrist ist dies seit langem Rechtsprechung des BFH (vgl. BStBl II 1987, 264). Es gilt auch für den Fall der Versäumnis der Beschwerdebegründungsfrist.
4. Wenn zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags geltend gemacht wird, ein Schriftsatz sei rechtzeitig abgesandt worden, habe jedoch das Gericht offenbar nicht erreicht, ist es erforderlich, den Absendevorgang näher darzustellen; der BFH verlangt eine lückenlose und schlüssige Darstellung des Absendevorgangs dahin, welche Person zu welcher Zeit in welcher Weise den Brief, in dem sich das betreffende Schriftstück befunden haben soll, aufgegeben hat.
5.Unterscheiden Sie von dem Erfordernis der Darstellung des Sachverhalts, der die Fristversäumnis entschuldigen soll, dessen Glaubhaftmachung. Nur die Glaubhaftmachung können Sie noch nach Ablauf der Zweiwochenfrist für den Wiedereinsetzungsantrag nachholen!
6. Wer Rechtsberatung berufsmäßig ausübt, muss regelmäßig ein Postausgangsbuch führen und dieses zur Glaubhaftmachung des Absendevorgangs vorlegen. Das allein genügt allerdings nicht; denn auch "welche Person zu welcher Zeit in welcher Weise den Brief, in dem sich das betreffende Schriftstück befunden haben soll, aufgegeben hat", muss glaubhaft gemacht werden (in der Regel durch eine eidesstattliche Versicherung des Betreffenden).
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 16.12.2002, VII B 99/02