Rz. 49b

Mit dem verpflichtenden Nachhaltigkeitsbericht erweitert sich das Feld der Konzernabschlusspolitik deutlich. Die Stakeholder, wie insb. Kreditinstitute, müssen, teilweise ebenfalls auf Basis regulatorischer Vorgaben, diese Berichte analysieren und in ihrer Entscheidungsbildung berücksichtigten. Bei der Erstellung der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind die Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) zu berücksichtigen. Konkret ist bislang ein Set von 12 ESRS als Delegierte Verordnung (EU) 2023/2772 bekannt gemacht worden.[1] Nach Auswertung der EFRAG im Implementierungsleitfaden 3 (IG3)[2] sind insgesamt 783 Datenpunkte pflichtmäßig zu beachten und alleine 269 Wahlangaben vorgesehen, wobei das Verhältnis der Wahlangaben zum erforderlichen Stakeholderdialog noch unklar ist. So könnte entweder das Wahlrecht bei den Unternehmen liegen, wie dies aus der Anwendung des HGB bekannt ist, oder es handelt sich um das Verständnis des IASB bei der IFRS-Berichterstattung, nach denen alternative Methoden (= Wahlrechte) stets im Sinne einer (für die Adressaten) bestmöglichen Abbildung zu wählen sind.

Von den 783 Pflichtangaben stehen 622 Datenpunkte, was 79 % entspricht, unter dem Wesentlichkeitsvorbehalt, d. h. eine Anwendung ist nur nötig, wenn der Aspekt als wesentlich im Sinne von Chancen und Risiken für das Unternehmen und/oder Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf Menschen und die Umwelt eingestuft wurde ("Doppelte Wesentlichkeit"). Somit verbleiben "nur" 161 Datenpunkte, die stets zu bearbeiten sind. Für die 622 unter dem Wesentlichkeitsvorbehalt stehenden Datenpunkte bestehen dann aber erhebliche Einschätzungs- und Ermessensspielräume, für die sich die Frage nach der nötigen Neutralität oder Gestaltbarkeit aufdrängt. Schließlich sind in Anlage C des ESRS 1 weitere Wahlrechte in Form von Übergangserleichterungen (phase-in; ESRS 1.137) insbesondere, aber nicht nur, für Unternehmen mit weniger als durchschnittlich 750 Beschäftigten enthalten.

Zudem gibt es eine weitere direkte Übergangsregelung aus der CSRD, nach der Unternehmen auf die Berichterstattung von Informationen aus der Wertschöpfungskette in den ersten drei Jahren der Berichterstattung verzichten können, wenn diese nicht vorliegen. Dabei ist allerdings anzugeben, welche Maßnahmen zur Einholung der erforderlichen Informationen unternommen wurden und wie das Unternehmen plant, diese Informationen zukünftig zu erheben (CSRD, Art. 1 Nr. 4 Abs. 3 Satz 2). Dies führt entsprechend auch zu einer Pflicht zur Weitergabe von Informationen für KMU, die nicht in den Anwendungskreis der CSRD fallen, spätestens ab dem Jahr 2028. Fraglich bleibt aber auch, inwiefern nicht vorher schon erheblicher Druck auf indirekt betroffene KMU zur Weitergabe erforderlicher Informationen ausgeübt wird, um Lücken in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu vermeiden. Sodass dies auch kein echtes Wahlrecht darstellt, sondern lediglich eine notwendige Übergangserleichterung aufgrund des engen Zeitrahmens der Umsetzung einer für viele Unternehmen vergleichsweise neuen Anforderung ist.[3]

[1] Abl. EU 2023 Nr. L 284/1 ff.
[3] Vgl. auch im Folgenden Müller/Reinke/Warnke, StuB 2024, S. 160 ff..

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