Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch gemäß § 628 Abs. 2 BGB
Leitsatz (redaktionell)
1. Liegt ein Entschluss des Insolvenzschuldners zur Betriebsstilllegung zum Zeitpunkt der Eigenkündigung des Arbeitnehmes nicht vor, kann nicht unterstellt werden, er hätte eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen können. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Ersatz des Vergütungsausfalls und auf eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes.
2. Der Schadensersatzanspruch gemäß § 628 Abs. 2 BGB umfasst auch bei nachfolgender Insolvenz des Arbeitgebers eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (im Nachgang zu BAG – 8 AZR 817/06).
Normenkette
BGB § 628 Abs. 2; KSchG § 10 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Herford (Urteil vom 15.07.2005; Aktenzeichen 1 Ca 2012/04) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 2 Sa 1571/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 15.07.2005 – 1 Ca 2012/04 – teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma W1 S1 GmbH & Co. KG über die vom Arbeitsgericht zuerkannten 16.433,82 EUR hinaus eine weitere Insolvenzforderung in Höhe von 30.128,67 EUR zusteht.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Nachdem das BAG das Berufungsurteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29.03.2006 bezüglich der zurückgewiesenen Berufung des Klägers aufgehoben und den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat, streiten die Parteien nur noch darum, ob dem Kläger aus dem Gesichtspunkte des Auflösungsverschuldens gemäß § 628 Abs. 2 BGB als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes eine weitere Insolvenzforderung in Höhe von 30.128,67 EUR zusteht.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils vom 29.03.2006 Bezug genommen.
Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger als Schadensersatz gemäß § 628 Abs. 2 BGB nur den Verdienstausfall bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist zugebilligt, aber darüber hinaus keine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes.
Auf die Revision des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts im Kostenausspruch und soweit es die Berufung des Klägers zurückgewiesen hat, aufgehoben. Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, der Schadensersatzanspruch gemäß § 628 Abs. 2 BGB umfasse neben der entgangenen Vergütung auch eine angemessene Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, der kumulativ zu dem Anspruch auf Ersatz des Vergütungsausfalls hinzutrete. Der Schaden bestehe in dem Verlust des durch das Kündigungsschutzgesetz vermittelten Bestandsschutzes. Nur für die Bemessung des Ausgleichs seien die Abfindungsregeln der §§ 9, 10 KSchG heranzuziehen. Es komme nicht darauf an, ob unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände eine Abfindung gezahlt worden wäre, sondern darauf, ob der Kläger sich in einem durch das Kündigungsschutzgesetz bestandsgeschützten Arbeitsverhältnis befunden habe. Der Entschädigungsanspruch für den Verlust des Arbeitsplatzes setze neben der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes weiter voraus, dass der Arbeitgeber nicht selbst hätte kündigen können, dass also kein Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG bestanden habe. Nach dem Schutzzweck des § 628 Abs. 2 BGB sei der Einwand des Arbeitgebers, er habe seinerseits das Arbeitsverhältnis wegen eines Kündigungsgrundes gemäß § 1 Abs. 2 KSchG oder § 626 Abs. 1 kündigen können, erheblich. Der hypothetische Ausspruch einer Kündigung begrenze den durch die Schadensersatzpflicht gewährleisteten Schutz. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Kündigungsgegner sich auf seine Kündigungsmöglichkeit berufe und beweise, dass er sie ausgeübt hätte. Im vorliegenden Fall sei nicht die Annahme gerechtfertigt, dass die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis hätte betriebsbedingt wegen Betriebsstilllegung kündigen können. Die wegen der erheblichen Lohnrückstände ausgesprochenen fristlosen Eigenkündigungen der Arbeitnehmer führten nicht zum Vorliegen einer vom Arbeitgeber geplanten oder durchgeführten Betriebsstilllegung. Es sei nicht festgestellt, ob die Arbeitgeberin die Kündigungsformulare im Hinblick auf eine von ihr geplante Betriebsstilllegung ausgeteilt hätte. Wenn die Stilllegung alsbald nach Insolvenzeröffnung erfolgt sei, deute dies darauf hin, dass der Stilllegungsbeschluss erst durch den Beklagten als Insolvenzverwalter gefasst worden sei. Dieser habe sich zwar auf die Betriebsstilllegung berufen, aber zum Zeitpunkt und Inhalt des Stilllegungsbeschlusses nichts vorgetragen. Um die die noch erforderlichen Feststellungen zur Betriebsstilllegung, insbesondere zum Zeitpunkt und Inhalt des Stilllegungsbeschlusses und zum Beginn der Umsetzung zu treffen, müsse der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden. Der Entschädigungsanspruch hänge davon ab, ob die Arbeitgeberin bereits am 07.03.2003 d...