rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des Pflegekindes im Kindergeldrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Nach dem Wortlaut und Sinn und Zweck des Gesetzes muss das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu beiden Elternteilen abgerissen sein. Es genügt nicht, wenn das Obhuts- und Pflegeverhältnis nur zu einem Elternteil nicht mehr besteht.
  2. Ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zum Kind kann auch dann noch bestehen, wenn die Eltern oder der Elternteil, mit dem das Kind noch in häuslicher Gemeinschaft lebt, selbst mittellos und auf wirtschaftliche Hilfe Dritter angewiesen ist.
 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

1999

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger auch schon in dem Zeitraum zwischen der Aufnahme seiner späteren Ehefrau und deren Sohnes in seinen Haushalt bis zur Heirat Anspruch auf Kindergeld hat.

Der Kläger hat nach Scheidung Anfang Dezember 1999 am 29.02.2000 wieder geheiratet. Seine jetzige Ehefrau und deren 1990 geborenen Sohn hatte er bereits Ende Oktober 1999 in seinen Haushalt aufgenommen.

Auf seinen Antrag vom 03.03.2000 gewährte der Beklagte (Landesamt für Bezüge und Versorgung) durch Bescheid vom 09.03.2000 mit Wirkung vom 01.02.2000 Kindergeld für den Sohn. Der Bescheid enthielt folgende(n) Begründung/Hinweis:"Ab Aufenthalt des Kindes in ihrem Haushalt ist die Mutter des Kindes kindergeldberechtigt, da Sie noch nicht verheiratet waren. Das Kindergeld für die Zeit vom Oktober 1999 bis Januar 2000 ist somit von Ihrer Ehefrau beim zuständigen Arbeitsamt zu beantragen. Ich bitte um Bekanntgabe der Kindergeldnummer. Der kinderbezogene Ortszuschlag kann Ihnen erst ab Heirat gewährt werden”.

Die Familienkasse des zuständigen Arbeitsamts lehnte einen entsprechenden Antrag der Ehefrau auf Kindergeld für den Zeitraum Oktober 1999 bis Januar 2000 ab und wies den hiergegen eingelegten Einspruch zurück, da die Ehefrau als russische Staatsangehörige bis zur Eheschließung lediglich eine Aufenthaltsbewilligung und erst aufgrund der Eheschließung eine Aufenthaltserlaubnis erhalten habe und deshalb in dem fraglichen Zeitraum nicht anspruchsberechtigt gewesen sei. Die Einspruchsentscheidung enthielt den Hinweis, sollte der Kläger für diese Zeit das Kindergeld beanspruchen, sei der Antrag bei seinem Arbeitgeber zu stellen,

Die hiergegen erhobene Klage (Az.: 9 K 397/00) nahm die Ehefrau nach einem telefonischen richterlichen Hinweis durch den Berichterstatter zurück. Die Klage der Ehefrau habe man, so der Kläger, nach Rücksprache mit dem Berichterstatter zurückgenommen, da sie formelle Fehler enthalten habe. Das Gericht habe ihn veranlasst, den „nicht ordnungsgemäßen aber nachvollziehbaren Antrag formell neu bei der Familienkasse zu stellen”.

Sodann beantragte der Kläger bei der Familienkasse des Arbeitsamts das Kindergeld. Diese lehnte den Antrag mit der Begründung ab, für die Festsetzung von Kindergeld für den Kläger sei der Beklagte zuständig. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 14.06.2000 Einspruch eingelegt mit dem Hinweis, er werde wieder das Gericht anrufen, sollte dem Einspruch nicht stattgegeben werden.

Mit Schreiben vom 15.06.2000 beantragte der Kläger erneut beim Beklagten Kindergeld für den genannten Zeitraum.

Mit Schreiben vom 04.09.2000 teilte der Beklagte ihm mit, ein entsprechender Antrag sei bereits mit Bescheid vom 09.03.2000 abgelehnt worden; da keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorlägen, verbleibe es bei dieser Entscheidung.

Hiergegen legte der Kläger - eine Rechtsmittelbelehrung enthielt das Schreiben noch nicht - Widerspruch ein.

Nach erneutem Hinweis auf die Bestandskraft des Bescheides vom 09.03.2000 trug der Kläger vor, mit diesem Bescheid sei über den streitigen Zeitraum noch nicht entschieden worden, da dieser lediglich den Hinweis auf eine anderweitige Zuständigkeit enthalten habe.

Mit Bescheid vom 06.04.01 lehnte der Beklagte die beantragte Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum Oktober 1999 bis Januar 2000 nunmehr mit der Begründung ab, der Sohn der Ehefrau sei in dem streitigen Zeitraum weder leibliches Kind des Klägers (Kind im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG) noch Pflegekind (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG) noch ein in den Haushalt aufgenommenes Kind des Ehegatten (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG) gewesen. Pflegekind sei er deshalb nicht, weil das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern, nämlich zur Mutter, noch fortbestanden habe. Der Einspruch des Kl. blieb ohne Erfolg.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger ist weiterhin der Meinung, sein – nunmehr - Stiefsohn sei als Pflegekind einzustufen, denn bereits ab Oktober sei ein familienähnliches auf längere Dauer angelegtes Band sowohl zu diesem als auch zur späteren Ehefrau angelegt gewesen. Auf der anderen Seite habe zum Vater des Kindes, der in P. lebe, keinerlei Obhuts- und Pflegeverhältnis mehr bestanden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass Mutter und Sohn völlig mittellos und auf seine Unterstützung angewiesen gewesen seien mit der Folge, dass - wirtschaftlich betrachtet - auch zur ...

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