rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufnahme in den Haushalt der Großmutter auch bei Widerspruch des Personensorgeberechtigten
Leitsatz (redaktionell)
- Großeltern, die ihre Enkel in ihren Haushalt aufnehmen, haben einen Anspruch auf Kindergeld.
- Für die Aufnahme in den Haushalt der Großeltern kommt es nicht auf die Zustimmung oder Billigung des Sorgeberechtigten an. Denn die Gewährung des Kindergeldes knüpft nicht an die zivilrechtliche Erziehungsberechtigung sondern an die tatsächliche Versorgungssituation an.
Normenkette
EStG § 63 Abs. 1 Nr. 3; BGB §§ 1626, 1631
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kindergeldfestsetzung für das leibliche Kind der Klägerin für die Zeit ab Juni 1997 gemäß § 70 Abs. 2 EStG aufgehoben werden durfte.
Die Klägerin bezog für ihren Sohn C..., geboren am 08.04.1980, Kindergeld. Durch einen Anruf der Gemeinde ... vom 22.05.1997 erfuhr der Beklagte, dass das Kind seit dem 07.05.1997 im Haushalt der Großmutter lebe. Die Großmutter habe bei der Gemeinde ... einen Antrag auf Kindergeld gestellt.
Der Beklagte hob daraufhin mit Bescheid vom 27. Mai 1997 die Festsetzung des Kindergeldes ab Juni 1997 in Höhe von 220 DM monatlich auf. Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend, dass der 17-jährige Sohn ohne Zustimmung ausgezogen sei. Da sie das alleinige Sorgerecht und insofern auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht besitze, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Sohn in den Haushalt der Großmutter aufgenommen worden sei.
Mit Bescheid vom 07.07.1997 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Fortgewährung von Kindergeld.
Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, der 17-jährige Sohn sei ohne ihre Zustimmung aus der Familienwohnung ausgezogen. Da sie das alleinige Sorgerecht besitze, könne C... nicht mit ihrer Zustimmung in den Haushalt der Großmutter aufgenommen worden sein. Insofern könne von einem vorrangigen Kindergeldanspruch der Großmutter nicht ausgegangen werden. Die Aufnahme in den Haushalt setze begriffsnotwendig die Zustimmung des Sorgeberechtigten voraus. Anderenfalls würde hierdurch dem Schutzgedanken des Artikel 6 Grundgesetz widersprochen. Durch die Gewährung von Kindergeld an die Großmutter, setze sich das Arbeitsamt massiv über die Sorgerechtsentscheidung der Kindesmutter hinweg. Die Klägerin habe von der Rückforderung ihres Sohnes in den eigenen Haushalt mittels Zwangsmaßnahmen lediglich abgesehen, um die ohnehin angespannte familiäre Lage nicht eskalieren zu lassen. Das eingeschaltete Jugendamt des Landkreises ... habe den Sohn jedoch nicht zur Rückkehr bewegen können.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 27.05.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.07.1997 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr ab Juni 1997 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, dass als Kinder gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten und vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel berücksichtigt würden. Nach § 64 Abs. 1 EStG werde für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gewährt. Bei mehreren Berechtigten werde es gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG demjenigen gezahlt, der es in seinen Haushalt aufgenommen habe.
C ... sei im Laufe des Mai 1997 in den Haushalt der Großmutter gewechselt, wo er seitdem gelebt habe. Diese sei danach ab Juni 1997 vorrangig kindergeldberechtigt gewesen.
Die gesetzliche Vorschrift stelle ausschließlich auf den tatsächlichen Zustand ab. Auf Fragen des Sorgerechtes oder darauf, ob das Kind sich mit oder ohne Billigung des ursprünglich Berechtigten in einem Haushalt aufhalte, komme es nicht an. Ferner sehe § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG zur Begründung des vorrangigen Kindergeldanspruchs keinerlei Berechtigtenbestimmung vor.
Da sich die Verhältnisse entsprechend geändert hätten, sei die Festsetzung des Kindergeldes nach § 70 Abs. 2 EStG aufzuheben gewesen.
Der Sohn der Klägerin wurde als Zeuge vernommen. Wegen des Inhalts der Aussage wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung (Bl. 39 ff. FGA) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die Kindergeldfestsetzung für den Sohn zu Recht nach § 70 Abs. 2 EStG ab Juni 1997 aufgehoben. Die Klägerin war nach dem Auszug des Sohnes lediglich nachrangig anspruchsberechtigt.
1. Anspruchsberechtigt ist insbesondere, wer im Inland einen Wohnsitz hat (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG) für ein nach § 63 EStG zu berücksichtigendes Kind. Als Kinder werden neben leiblichen Kindern (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG) u. a. auch von dem Berechtigen in seinen Haushalt aufgenommene Enkel (§ 63 Abs. 1 Nr. 3 EStG) berücksichtigt.
2. Neben der Klägerin, die als leibliche Mutter anspruchsberechtigt ist, hatte im Streitfall auch die Großmutter Anspruch auf Kindergeld, weil sie ...