Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeine Geschäftsbedingungen einer Bank: Inhaltskontrolle für eine Entgeltklausel im Bankverkehr mit Verbrauchern (Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung)
Leitsatz (amtlich)
1. Auch außerhalb der Informationspflichten des § 493 Abs. 5 S. 2 Nr. 3 BGB besteht als vertragliche Nebenpflicht der Bank ein Auskunftsanspruch des Verbrauchers über die Höhe des im Falle der vorzeitigen Rückführung des Darlehens zu zahlenden Betrages (Vorfälligkeitsentschädigung), ohne dass es tatsächlich zur vorzeitigen Rückführung des Darlehens kommen muss.
2. Eine Klausel in einem Preisverzeichnis einer Bank, die für Allgemein-Darlehensverträge und vor dem 21.03.2016 geschlossene Immobiliardarlehensverträge ein Entgelt für die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung vorsieht, stellt eine unzulässige Preisnebenabrede dar.
Normenkette
BGB §§ 242, 307 Abs. 3, §§ 488, 493, 500 Abs. 2, § 502; UKlaG § 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.11.2021; Aktenzeichen 2-25 O 190/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.11.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main teilweise abgeändert, soweit die Klage abgewiesen wurde.
Der Beklagten wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ersatzordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Vorstand, untersagt,
gegenüber Verbrauchern im Rahmen von Kreditverträgen die folgenden Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden:
(b) Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen je Darlehenskonto2 (...): 100,00 EUR
2Die Höhe des angegebenen Berechnungsentgeltes ist bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen nach § 502 Abs. 3 BGB begrenzt.
(c) Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung (...) bei vor dem 21. März 2016 abgeschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen je Darlehenskonto3 (...): 100,00 EUR
3Dem Kunden bleibt in jedem Fall der Gegenbeweis vorbehalten, dass kein oder ein geringerer Schaden verursacht wurde. Wird auf der Grundlage der vorgenommenen Berechnung das Verbraucherdarlehen abgelöst, wird das Entgelt auf die Vorfälligkeitsentschädigung angerechnet.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten mit Ausnahme der Kosten der Verweisung, die der Kläger zu tragen hat, auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen die teilweise Abweisung seiner Klage, mit der er die Beklagte u.a. auf Unterlassung der Verwendung einer Klausel zur Bepreisung des Errechnens einer Vorfälligkeitsentschädigung in Anspruch genommen hat.
Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 26 weiterer Verbraucherschutz- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Er ist in der vom Bundesamt für Justiz geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.
Die Beklagte ist eine im Kreis1 tätig Bank. Sie unterhält u.a. die Webseite www.(...).de, auf der sie bundesweit für Verbraucherkredite wirbt, die mit Policen von Lebensversicherungen besichert werden.
Anlässlich einer Verbraucherbeschwerde stellte der Kläger fest, dass die Beklagte ein als "Konditionen-Tableau" (Gültigkeit ab 12.09.2019) bezeichnetes Preis- und Leistungsverzeichnis veröffentlichte, welches bei der Beklagten Anwendung gegenüber privaten Darlehenskunden fand und in dem sich die Preise für von der Beklagten erbrachte Handlungen und Auskünfte niedergelegt waren (Anlage K 1 = Bl. 15 f. d.A.). Dort hieß es u.a.:
"6.1 Sonderleistungen im Kreditgeschäft
6.1.1 bei der Kreditbearbeitung
(...)
Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung bei
Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen je Darlehenskonto2 sowie bei vor dem 100,00 EUR
21. März 2016 abgeschlossenen Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen je
Darlehenskonto3 (...)
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(...)
2Die Höhe des angegebenen Berechnungsentgeltes ist bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen nach § 502 Abs. 3 BGB begrenzt.
3Dem Kunden bleibt in jedem Fall der Gegenbeweis vorbehalten, dass kein oder ein geringerer Schaden verursacht wurde. Wird auf der Grundlage der vorgenommenen Berechnung das Verbraucherdarlehen abgelöst, wird das Entgelt auf die Vorfälligkeitsentschädigung angerechnet (...)"
Mit Schreiben vom 12.02.2020 (fehlerhaft datiert auf den 12.10.2020) mahnte der Kläger die Beklagte u.a. wegen der vorgenannten Klauseln wettbewerbsrechtlich ab (Anlage K 2 = Bl. 17 ff. d.A.). Unter dem 17.03.2020 gab die Beklagte wegen einer anderer Klausel eine Unterlassungserklärung ab und wies u.a. bezüglich der Entgeltregelung für die...