Leitsatz
1. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Anfechtungskompetenz aus §§ 4, 11 AnfG auf den Insolvenzverwalter über.
2. Wenn der Rechtsstreit gegen den Duldungsbescheid des FA nicht mehr anhängig ist, kann der Insolvenzverwalter das Verfahren nicht mehr aufnehmen (Abgrenzung zu Senatsurteil vom 18. September 2012 – VII R 14/11, BFHE 238, 505, BStBl II 2013, 128).
3. Hat das FG die Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid als unbegründet abgewiesen, kommt die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für den Insolvenzverwalter nach § 727 ZPO nicht in Betracht.
4. Das FA kann den Anfechtungsanspruch gegen den Anfechtungsgegner während des Insolvenzverfahrens auch mit Zustimmung des Insolvenzverwalters nicht selbst weiterverfolgen (Fortführung Senatsurteil vom 29. März 1994 – VII R 120/92, BFHE 174, 295, BStBl II 1995, 225).
Normenkette
§ 4, § 11, § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1 AnfG, § 191 AO, § 727 ZPO
Sachverhalt
Das FA hatte als Anfechtungsgläubiger einen Duldungsbescheid gemäß § 191 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. den §§ 1, 2, 3 Abs. 2, 4 und 11 AnfG erlassen und die Duldung der Vollstreckung in den dem Ehemann der Klägerin ursprünglich gehörenden Anteil an einer Partnerschaftsgesellschaft begrenzt. Klage und NZB hiergegen waren erfolglos. Zwischenzeitlich war über das Vermögen des Ehemannes der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Nach Rechtskraft des FG-Urteils beantragte der Insolvenzverwalter unter Hinweis auf § 727 ZPO die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils mit folgendem Inhalt: "Die Klägerin (…) ist dazu verurteilt, an Herrn … als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn … abzutreten: Ihren (…) Anteil an der Partnerschaft (…) einschließlich Ihres (…) etwaigen Anspruchs auf Zahlung einer Abfindung bei Ausscheiden aus der vorgenannten Partnerschaft". Den vormaligen Klageantrag könne er nach Maßgabe der §§ 143, 144 und 146 InsO erweitern.
Das FG (Schleswig-Holsteinisches FG, Beschluss vom 7.5.2019, 3 K 56/15) lehnte den Antrag ab, wogegen sich die Beschwerde richtete.
Entscheidung
Der BFH hat die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
Das FA hatte einen Duldungsbescheid erlassen, dem ein Anfechtungsanspruch zugrunde lag. Im Laufe des Verfahrens wurde über das Vermögen des Steuerschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Streitig waren die Rechte des Insolvenzverwalters.
§ 17 Abs. 1 AnfG regelt den Fortgang eines Verfahrens über einen Anfechtungsanspruch, der im Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens noch rechtshängig ist. Danach wird das Verfahren unterbrochen.
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört der Anfechtungsanspruch zur Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter ist nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AnfG berechtigt, die von den Insolvenzgläubigern erhobenen Anfechtungsansprüche zu verfolgen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wird (vgl. BFH, Beschluss vom 30.8.2010, VII B 83/10, BFH/NV 2010, 2298; BFH, Urteil vom 29.3.1994, VII R 120/92, Haufe-Index 65322, BStBl II 1995, 225).
Im Streitfall bestand die Besonderheit darin, dass das FG die Klage über den Duldungsbescheid bereits als unbegründet abgewiesen hatte, als das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Deshalb konnte der Insolvenzverwalter nicht in den Rechtsstreit eintreten und den Klageantrag umstellen (hierzu BFH, Urteil vom 18.9.2012, VII R 14/11, BFH/NV 2013, 288, BStBl II 2013, 128). Aus dem Urteil des FG konnte der Insolvenzverwalter jedoch auch nicht vollstrecken, weil der Tenor keinen vollstreckbaren Inhalt hatte. Das FG hatte die Klage gegen den Duldungsbescheid als unbegründet abgewiesen.
Der Insolvenzverwalter behalf sich mit einem auf § 727 ZPO gestützten Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung. Das lief letztlich auf eine Umschreibung des Tenors hinaus. Eine solche nachträgliche Umschreibung eines Tenors kennt die FGO jedoch nicht. Zwar verweist § 155 FGO auf die Vorschriften der ZPO, aber auch § 727 ZPO vermag dem Insolvenzverwalter nicht zu helfen. Denn soweit ein Titel mangels eines vollstreckbaren Inhalts (wie hier) nicht klauselfähig ist, findet § 727 ZPO keine Anwendung.
Das FG wollte dem Insolvenzverwalter einen Ausweg aufzeigen. Er sollte dem FA die Vollstreckung aus dem Duldungsbescheid gestatten und sich das Erlangte zur Insolvenzmasse auszahlen lassen. Die Vorschriften des AnfG lassen allerdings nicht zu, dass der Insolvenzverwalter den Rückgewähranspruch "freigibt". Das hatte der BFH bereits in einer älteren Entscheidung ausdrücklich entschieden (BFH, Urteil vom 29.3.1994, a.a.O.). Das Urteil bezog sich auf § 13 AnfG i.d.F. vom 4.7.1980. Wesentliche Unterschiede zwischen diesem § 13 AnfG und den nun geltenden §§ 16 und 17 AnfG sind nicht feststellbar, weshalb der BFH an seiner Rechtsprechung festhält.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 24.7.2019 – VII B 65/19