Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Durch die Bezeichnung eines Raums im Bauplan mit dem Begriff "Arbeiten" kann keine umsatzsteuerrelevante Zuordnung erfolgen. Die Mitteilung der Zuordnungsentscheidung an das zuständige Finanzamt nach Ablauf der maßgebenden Steuererklärungsfrist ist nicht mehr zeitnah.
Sachverhalt
Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer einen Baubetrieb mit durchschnittlich 13 Mitarbeitern. Im Jahr 2014 plante er die Errichtung eines Einfamilienhauses, in dem gemäß Grundriss des Planungsbüros (vom 29.7.2014) im Erdgeschoss ein 16,57 qm großes Zimmer "Arbeiten" errichtet werden sollte. In seiner Umsatzsteuererklärung 2015, die er innerhalb der für ihn verlängerten Frist am 28.9.2016 eingereicht hat, machte er für die Errichtung dieses Zimmers erstmals anteilige Vorsteuern geltend. In den zuvor eingereichten Voranmeldungen war ein anteiliger Vorsteuerabzug unterblieben. Da nach Ansicht der Finanzverwaltung in solchen Fällen eine zeitnahe Zuordnung zu erfolgen hat, und zwar bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen (Fristverlängerungen bleiben dabei außen vor!), wurde der Vorsteuerabzug nicht anerkannt (vgl. Abschn. 15.2c Abs. 16 UStAE).
Entscheidung
Bei "gemischt-genutzten" Gegenständen hat der Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht. Die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen erfordert eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung bei Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands. Dabei ist die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, die Unterlassung des Vorsteuerabzugs ein ebenso wichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen. Nach der Rechtsprechung des BFH, Urteil v. 7.7.2011, V R 42/09, muss die Zuordnung allerdings zeitnah erfolgen, d.h. bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen (im Streitfall also bis zum 31.5.2016). Für die Abgabe von Steuererklärungen gewährte Fristverlängerungen haben nicht zur Folge, dass auch die Frist zur Dokumentation der Zuordnungsentscheidung verlängert wird. Vor diesem Hintergrund war in der Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2015 im September 2016 keine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung zu sehen. Die zuvor erstellten Planungsunterlagen sind keine hinreichende Dokumentation in diesem Sinn. Die Bezeichnung eines Zimmers in dem Grundriss des Erdgeschosses mit "Arbeiten 16,57 qm" drückt nicht aus, dass es sich um ein dem Unternehmen zugeordnetes Zimmer handelt. Es könnte sich auch um ein häusliches Arbeitszimmer handeln, das dem privaten Bereich zugeordnet wird.
Hinweis
Die Sache ist zwischenzeitlich über den BFH, Beschluss v. 18.9.2019, XI R 3/19 mit folgenden Fragen an den EuGH gelangt:
Widerspricht es dem Unionsrecht, wenn das für den Vorsteuerabzug erforderliche Zuordnungswahlrecht zwingend bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuerjahreserklärung ausgeübt werden muss?
Widerspricht es dem Unionsrecht, dass immer dann eine Zuordnung zum privaten Bereich unterstellt wird bzw. eine dahingehende Vermutung besteht, wenn keine (ausreichenden) Indizien für eine unternehmerische Zuordnung vorliegen?
Das Verfahren wird beim EuGH, Az beim EuGH C-45/20, geführt.
Hinweis: Es ist demnach gut möglich, dass die strenge Zuordnungsfrist, wie sie vom BFH postuliert und von der Finanzverwaltung entsprechend angewendet wird, vor dem EuGH keinen Bestand hat. Da der Ausgang des Verfahrens allerdings offen ist, ist bis auf Weiteres dringend zu empfehlen, der Ansicht der Finanzverwaltung zu folgen und bei der teilweisen unternehmerischen Verwendung von einheitlichen Gegenständen (insbesondere Gebäudebestandteilen) auf eine zeitnahe Zuordnung zu achten.
Im Streitfall war der Vorsteuerabzug nicht schon per se nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG ausgeschlossen, da nach den Feststellungen des Finanzgerichts die Fläche des unternehmerisch genutzten Zimmers nicht weniger als 10 % der Gesamtnutzfläche des gemischt-genutzten Grundstücks beträgt und somit die unternehmerische Mindestnutzung erfüllt ist. Das Finanzamt hatte dies offenbar noch anders gesehen.
Link zur Entscheidung
Sächsisches FG, Urteil vom 19.03.2018, 5 K 249/18