Leitsatz
Wird der Gesellschafter einer vermögenslosen GmbH für deren Verbindlichkeiten im Weg des Durchgriffs in Anspruch genommen, so sind die Verbindlichkeiten in seinem Einzelunternehmen Gewinn mindernd zu passivieren, wenn seine zum Ersatz verpflichtende Handlung dessen Betriebseinnahmen erhöhte.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 EStG , § 249 HGB , § 255 HGB
Sachverhalt
Der Kläger war beherrschender Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer einer Bau-GmbH, die 1988 in Konkurs fiel. Daneben betrieb er ein Einzelunternehmen, das für die GmbH die Planung und Bauaufsicht gegen eine Provision von 4,5 % der Nettoherstellungskosten übernahm.
Auf die Klage eines Handwerkers, der mit seiner Forderung gegen die GmbH ausgefallen war, wurde der Kläger im Jahr 1992 vom OLG zur Zahlung von Schadenersatz i.H.v. 152.937 DM wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB verurteilt. Gegenüber einem anderen Handwerker verpflichtete sich der Kläger im Jahr 1994 in einem gerichtlichen Vergleich zu einer Schadenersatzleistung von 23.282 DM.
Für diese Verbindlichkeiten bildete der Kläger im Streitjahr 1992 in seinem Einzelunternehmen Rückstellungen, die das FA nicht anerkannte. Die Klage vor dem FG hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf. Für die Verbindlichkeiten aus der Haftungsinanspruchnahme könnten in der Bilanz des Einzelunternehmens Rückstellungen gebildet werden.
Die nach dem Ergehen des OLG-Urteils ernstlich drohende Inanspruchnahme des Klägers für Verbindlichkeiten der GmbH sei betrieblich veranlasst. Der Kläger habe mit den zum Ersatz verpflichtenden Handlungen die Einnahmen des Einzelunternehmens mehren wollen. Seine Beteiligung an der GmbH habe unmittelbar eigenbetrieblichen Zwecken gedient.
Hinweis
1. Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB setzt insbesondere voraus, dass die Verbindlichkeiten betrieblich veranlasst sind. Das sind sie nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Nichts anderes gilt für Schadenersatzverpflichtungen.
2. Der objektive betriebliche Zusammenhang der Schadensersatzverpflichtung war hier offensichtlich, weil die Schaden stiftende Ursache eindeutig der betrieblichen Sphäre des Klägers zuzuordnen war. Die sittenwidrige Schädigung der Gläubiger der GmbH ist im Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit des Klägers erfolgt.
Der subjektive Zusammenhang ergibt sich aus den im OLG-Urteil festgestellten Tatsachen. Der Kläger hatte ohne Rücksicht auf eine kostendeckende Preiskalkulation das Unternehmen der GmbH ausgeweitet, um als deren Auftragnehmer im Rahmen seines Einzelunternehmens höhere Einnahmen erzielen zu können. Die zum Schadenersatz verpflichtenden Handlungen dienten damit der Erzielung von Betriebseinnahmen.
3. Anders als das FG hat der BFH deshalb die Beteiligung an der GmbH auch nicht als Privatvermögen des Klägers angesehen (mit der Folge, dass daraus resultierende Verluste allenfalls im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen wären), sondern als notwendiges Betriebsvermögen des Einzelunternehmens. Die Beteiligung war für die Steigerung seiner gewerblichen Einnahmen letztlich unentbehrlich.
4. Der durch die Haftungsinanspruchnahme entstehende Aufwand erhöht nicht etwa die Anschaffungskosten für die Beteiligung an der GmbH. Wegen der Vermögenslosigkeit der GmbH erscheint die Annahme einer verdeckten Einlage selbst dann ausgeschlossen, wenn man unterstellt, dass die Verpflichtung zum Schadensersatz durch das Gesellschaftsverhältnis (und nicht durch ein gesetzliches Schuldverhältnis) veranlasst war.
Die Rechtsprechung des BFH zu § 17 EStG, nach der nachträgliche Anschaffungskosten einer Beteiligung auch ohne Erhöhung des Beteiligungswerts vorliegen können, ist im Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 255 HGB nicht anwendbar.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.3.2003, XI R 52/01