Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Eine vom Erbbauberechtigten übernommene Verpflichtung zur umfassenden Sanierung des vorhandenen Gebäudes ist keine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts, wenn der Grundstückseigentümer an den Erbbauberechtigten jährlich Investitionszuschüsse zahlt und diese insgesamt einer Entschädigung für die Sanierung des Gebäudes entsprechen.
Normenkette
§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
Sachverhalt
Die Stadt S bestellte an einem mit einem Kurhaus bebauten Grundstück zugunsten der Klägerin für 15 Jahre ein Erbbaurecht. Der jährliche Erbbauzins betrug 25 860 EUR zzgl. USt. Die Klägerin verpflichtete sich in dem Vertrag außerdem, das Kurhaus nach Maßgabe bereits vorliegender Pläne bis Ende 2008 "aus eigenen Mitteln" zu sanieren. S hatte der Klägerin neben einem jährlichen "Betriebskostenzuschuss" für den Betrieb des großen Kursaals i.H.v. 25 860 EUR und einem jährlichen "Unterhaltskostenzuschuss" für die laufende Gebäudeunterhaltung von 21 550 EUR "für die zu tätigenden Investitionen" einen jährlichen "Investitionszuschuss" von 218 660 EUR zzgl. USt zu zahlen. Bei Erlöschen des Erbbaurechts durch Zeitablauf war keine Entschädigung zu leisten. Lediglich bei vorzeitigem Heimfall des Erbbaurechts, den S unter bestimmten Voraussetzungen verlangen konnte, hatte sie an die Klägerin je nach Grund des Heimfalls eine Entschädigung von 1,5 Mio. EUR bzw. 2,250 Mio. EUR zzgl. USt zu zahlen. Diese Entschädigungssumme verringerte sich um den Wert der noch nicht erbrachten Leistungen, falls die Sanierung noch nicht vollständig durchgeführt war, und um 6,66 % für jedes Jahr nach Abschluss der Sanierung.
Das FA setzte gegen die Klägerin für den Erwerb des Erbbaurechts die GrESt auf 77 232 EUR fest und bezog neben dem kapitalisierten Erbbauzins die der Klägerin tatsächlich entstandenen Kosten der Sanierung von 1 897 254 EUR in die Bemessungsgrundlage mit ein.
Einspruch und Klage, mit denen sich die Klägerin gegen die Erhöhung der Bemessungsgrundlage um die Sanierungskosten wandte, hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung des FG (FG Köln vom 22.09.2008, 5 K 3205/05, Haufe-Index 2182273, EFG 2009, 1247) habe die Klägerin die Kosten der Sanierung selbst getragen. Daran ändere auch der von S zu zahlende Investitionszuschuss nichts. Dabei habe es sich nicht um eine Entschädigung gehandelt, die die Berücksichtigung der Sanierungsverpflichtung als Teil der Gegenleistung ausschließen würde, sondern um einen Zuschuss, der nicht mit der Sanierungsverpflichtung im Zusammenhang stehe.
Entscheidung
Das sah jetzt der BFH aus den unter Praxis-Hinweise genannten Gründen anders. Entsprechend gab er der Revision der Klägerin statt, hob die Vorentscheidung auf und setzte die GrESt antragsgemäß herab.
Hinweis
1. Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die GrESt regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung, wozu nur solche Leistungsverpflichtungen des Erwerbers zählen, die er dem Veräußerer oder einem Dritten um des Grundstückserwerbs willen zu erbringen hat und die nicht nur ihm selbst zugutekommen. Verpflichtet sich ein Erbbauberechtigter im Rahmen der Bestellung eines Erbbaurechts dem Grundstückseigentümer gegenüber zur Errichtung oder umfassenden Sanierung eines Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück, ist im Regelfall davon auszugehen, dass die Baumaßnahmen dem Erwerber als (zukünftigem) Inhaber des Erbbaurechts allein zugutekommen und deshalb als "eigennützige Erwerberleistungen"keine Gegenleistung darstellen. Immerhin greift insoweit § 12 Abs. 1 S. 1 ErbbauRG, wonach das aufgrund des Erbbaurechts errichtete Bauwerk als "wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts" gilt.
2. Was die Abgrenzung "Eigen- zu Fremdnützigkeit"hinsichtlich der Erwerberleistungen bei der Errichtung eines Gebäudes auf einem Erbbaugrundstück angeht, gilt schon nach bisheriger Rechtsprechung Folgendes:
a) |
Einerseits ist zu berücksichtigen, dass Erbbaurechte i.d.R. nur auf bestimmte Zeit bestellt werden und die Gebäude mit dem Erlöschen des Erbbaurechts Bestandteile des Grundstückseigentums werden. Zielt entsprechend der Erbbaurechtsvertrag darauf ab, dass dem Grundstückseigentümer nach Beendigung des Erbbaurechts bestimmte, vom Erbbauberechtigten vertragsgemäß auf dem Erbbaugrundstück geschaffene Sachwerte entschädigungslos zufallen, kann hierin eine Gegenleistung i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStGliegen. |
b) |
Verpflichtet sich andererseits der Erbbauberechtigte zur Gebäudeerrichtung und Unterhaltung und erhält er bei Erlöschen des Erbbaurechts vom Grundstückseigentümer eine Entschädigung für das Gebäude i.H.d. Verkehrswerts, kommen die Verwendungen auf das Erbbaugrundstück regelmäßig dem Erbbauberechtigten dauerhaft zugute. In der Verpflichtung zur Herstellung des Gebäudes liegt deshalb in diesen Fällen regelmäßig keine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts. Nichts anderes kann dann aber gelten, wenn sich der Erbbauberechtigte im Erbbaurechtsvertrag zur umfassenden Sanierung eines bereits vorhandenen Gebäudes verpflichtet und der Grundstückseigentümer hierfür an den Erbbauberechtig... |