Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtshaftungsanspruch wegen Verletzung der Unterhaltungspflichten an Gewässern und hieraus resultierenden Überflutungsschäden aus einem Löschwasserteich
Leitsatz (amtlich)
Pflichtverletzungen des Gewässerunterhaltungspflichtigen führen nicht zu Amtshaftungsansprü-chen gegen diesen. Im Fall der Nicht- oder Schlechterfüllung der Gewässerunterhaltungspflicht wird nach allgemeinem Deliktsrecht gehaftet.
Normenkette
AbwAnlSelbstÜV SH; BGB § 823 Abs. 1, § 839; GG Art. 34
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 05.11.2019 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Prüfung des Mitverschuldenseinwands wegen einer möglichen unerlaubten Nutzung des Kellers dem Betragsverfahren vorbehalten bleibt.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu 85 % zu tragen, 15 % trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages leistet.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 91.124,55 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die beklagte Gemeinde Schadensersatzansprüche wegen Überflutungsschäden an seinem Haus geltend.
Der Kläger ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in der beklagten Gemeinde. In der Nähe des Hauses liegt ein Teich, der als Löschwasserentnahmestelle dient und von der Beklagten betrieben wird. In den Teich entwässern Straßenflächen. Der Ablauf des Löschteichs wurde vor knapp 20 Jahren bei Bauarbeiten beschädigt. Ende Juni bis Anfang Juli 2014 kam es zu starken Regenfällen. Dabei lief der Keller des Hauses des Klägers voll, die Kellerräume und die darin gelagerten Gegenstände wurden beschädigt. Bewohnt wurde das Haus vom Sohn des Klägers und einer weiteren Person, die ihre Schadensersatzansprüche an den Kläger abtraten. Der Kläger bezifferte die Schäden auf rund 90.000,00 EUR
Die Parteien haben erstinstanzlich darum gestritten, ob Ursache der Schäden das Überlaufen des Löschteichs sei und die Beklagte bei dem Betrieb des Löschteichs Pflichten verletzt habe.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Einholung von Sachverständigengutachten durch Grundurteil entschieden, dass dem Kläger Schadensersatzansprüche zustehen. Der Keller sei durch ein Überlaufen des Teiches überflutet worden.
Die haftungsbegründende Amtspflichtverletzung sei darin zu erblicken, dass die Beklagte den Ablauf des Teichs nicht rechtzeitig überprüft habe; die halbjährlichen Kontrollen durch die freiwillige Feuerwehr hätten nicht ausgereicht. Dass die Beklagte hierzu verpflichtet gewesen sei, ergebe sich aus der Selbstüberwachungsverordnung des Landes, aus dem Wasserhaushaltsgesetz und aus dem Landeswassergesetz. Der Anspruch des Klägers sei auch nicht im Hinblick auf höhere Gewalt ausgeschlossen. Dem Kläger sei nicht deshalb ein Mitverschulden vorzuwerfen, weil er sein Grundstück nicht selbst ausreichend gesichert habe.
Die Beklagte wendet sich gegen das Grundurteil mit der Berufung. Sie ist der Auffassung, dass das Urteil nicht ohne Vorbehalt der Prüfung des Einwands des Mitverschuldens habe ergehen dürfen. Wegen der Bindungswirkung des Grundurteils drohe im Betragsverfahren der Ausschluss mit dem Einwand, den Kläger treffe ein Mitverschulden, weil der Keller bauordnungswidrig zu Wohnzwecken genutzt worden sei. In den Urteilsgründen habe das Landgericht sich mit dem Einwand der baugenehmigungswidrigen Wohnnutzung nicht befasst.
Die vom Landgericht zur Begründung der Haftung herangezogene Selbstüberwachungsverordnung begründe keine subjektiv-öffentlichen Rechte einzelner Bürger. Sie diene nicht dem Schutz individueller Rechtspositionen. Sie beruhe auf dem Landeswassergesetz und diene damit dem Wohl der Allgemeinheit. An diese Pflicht knüpfe die Pflicht zur Selbstüberwachung der Betreiber von Abwasseranlagen an. Adressaten der Verordnung seien ausschließlich die Betreiber von Abwasseranlagen. Anlieger, Nutzer oder Anwohner hätten dagegen von Rechts wegen keinen Anspruch gegen Anlagenbetreiber auf Einhaltung der Selbstüberwachungspflichten. Die gebotene Selbstüberwachung erschöpfe sich in Kontroll- und Dokumentationsmaßnahmen, insbesondere dem Anfertigen von Betriebstagebüchern und Berichten für und der Mitteilung von Störungen an die zuständige untere Wasserbehörde als Aufsichtsbehörde. Subjektiv-öffentliche Rechte des einzelnen Bürgers gegen die Gemeinde als Betreiberin von Abwasseranlagen ließen sich nicht aus der Kostentragung und aus den Pflichten der Gemeinde gegenüber den unteren Wasserbehörden herleiten. Mit der Einbeziehung von Schäden durch Überschwemmungen habe das Landgericht den Schutzzweck der Selbstüberwachungsverordnung in unzulässiger Weise auf die Materie der öffentlich-rechtl...