Rz. 133
Landwirtschaftliche Erzeugnisse i. S. d. Art. 295 Abs. 1 Nr. 4 MwStSystRL i. V. m. Anhang VII MwStSystRL, die der Pauschalierung nach § 24 Abs. 1 UStG unterliegen, sind die vom Land- und Forstwirt in seinem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb i. S. d. § 24 Abs. 2 UStG (Rz. 44ff.) im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen (Ur-)Erzeugertätigkeit selbst produzierten Erzeugnisse. Dies betrifft z. B. selbst produzierte Erzeugnisse wie Getreide, Vieh, Fleisch, Milch, Obst, Gemüse und Eier. Die Vermarktung der eigenen land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse unterliegt der Pauschalierung unabhängig von dem Vertriebsweg, den der Land- und Forstwirt wählt; betroffen ist neben der Direktvermarktung an Endverbraucher über Verkaufseinrichtungen wie Hofläden und Marktstände auch der Verkauf an Großabnehmer wie z. B. Warengenossenschaften, Landhändler, Molkereien, Mühlen, Industrie usw. S. Rz. 80 zum Verkauf über einen nichtlandwirtschaftlichen Absatzbetrieb des Land- und Forstwirts. S. Rz. 136ff. zu Erzeugnissen, die der Land- und Forstwirt aus der Verarbeitung von Erzeugnissen der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion gewinnt.
Ein landwirtschaftliches Erzeugnis ist nach der hier vertretenen Auffassung auch die sog. stehende Ernte; dies sind die auf den Feldern befindlichen Früchte, die ggf. noch vor der Ernte verkauft werden (z. B. an eine Biogasanlage). Denn die stehende Ernte ist vom Landwirt in einem in Abschn. 24.2 Abs. 1 UStAE und in Abschn. 24.1 Abs. 2 S. 1 UStAE beschriebenen urproduktiven Wachstums- und Kultivierungsprozess erzeugt worden (s. Rz. 46). Insofern führt es zu keinem anderen Ergebnis, wenn der Landwirt das Erzeugnis nicht selbst erntet. S. auch Rz. 156 zum Verkauf von "Holz auf dem Stamm". Sofern der BFH dies in seinem Urteil v. 17.8.2023 anders beurteilt hat, müssen wohl die besonderen Umstände dieses konkreten Einzelfalls beachtet werden. Denn an dieser Stelle des Urteils ging es insoweit nur noch um die Frage, ob die Steuerschuld der Klägerin evtl. um Vorsteuern zu mindern war.
Unerheblich für die Frage, ob ein landwirtschaftliches Erzeugnis vorliegt, ist die Verwendung des Erzeugnisses durch den Erwerber; das Erzeugnis muss also insbesondere nicht zwingend unmittelbar der Ernährung dienen. Unter den übrigen Voraussetzungen sind also z. B. auch Möhren, die vom Käufer als Futtermittel eingesetzt werden, Mais, den der Käufer zum Betrieb einer Biogasanlage verwendet, oder Pferde, die von den Käufern zur Ausübung des Reitsports benutzt werden, landwirtschaftliche Erzeugnisse des Land- und Forstwirts.
Rz. 134
Der bloße Verkauf zugekaufter landwirtschaftlicher Erzeugnisse anderer Land- und Forstwirte sowie der Verkauf zugekaufter nicht betriebstypischer Produkte, sog. Handelswaren (z. B. Vasen, Tongefäße), durch den Land- und Forstwirt unterliegt der Regelbesteuerung. S. aber Rz. 136ff. zu Erzeugnissen, die der Land- und Forstwirt aus der Verarbeitung von Erzeugnissen der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion gewinnt.
Der bloße Verkauf zugekaufter Erzeugnisse unterliegt auch dann der Regelbesteuerung, wenn diese Verkäufe nur einen geringen Umfang haben. Bezüglich zugekaufter landwirtschaftlicher Erzeugnisse genügt es für die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung nicht, dass diese aus einer land- und forstwirtschaftlichen Erzeugertätigkeit (eines anderen Land- und Forstwirts) hervorgegangen sind. Auch die Motive des Zukaufs sind insoweit unerheblich; Umsätze mit zugekauften Erzeugnissen fallen auch dann nicht unter die Pauschalierung, wenn der Zukauf betriebswirtschaftlich geboten ist, um z. B. trotz schlechter Ernte Lieferpflichten einhalten zu können, oder um trotz eines Hagelschadens die betrieblichen Grundlagen erhalten zu können. Soweit der BFH für Handelswaren den Begriff der "nicht betriebstypischen Erzeugnisse" verwendet, bedeutet dies nicht, dass diese unter die Durchschnittssatzbesteuerung fielen, wenn sie nach der Verkehrsanschauung für den jeweiligen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb womöglich noch als "betriebstypisch" angesehen werden könnten (z. B. Verkauf von Töpfen und Vasen in der Gärtnerei eines Land- und Forstwirts), denn als nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse fallen Handelswaren zwingend unter die Regelbesteuerung.
Rz. 135 einstweilen frei
Rz. 136
Werden zugekaufte landwirtschaftliche Erzeugnisse vom Land- und Forstwirt nicht lediglich in der Art eines Händlers weiterveräußert, sondern verweilen sie noch eine Weile im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, stellt sich die Frage nach der Abgrenzung zwischen selbst erzeugten und zugekauften Erzeugnissen. In solchen Fällen wird ein selbst erzeugtes landwirtschaftliches Erzeugnis angenommen werden können, wenn das erworbene Erzeugnis beim Erwerb noch nicht als fertiges landwirtschaftliches Erzeugnis anzusehen ist und im Betrieb des Land- und Forstwirts im Rahmen eines Erzeugungsprozesses unter Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens eine wesentliche Veränderung etwa in Form ...