Leitsatz
Der BFH legt dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
1. Widerspricht es Art. 14 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965 (BGBl II 1965, 1482, 1488), wenn deutsche Staatsangehörige, die in Luxemburg als Beamte der Europäischen Gemeinschaft tätig sind und dort wohnen, im Rahmen der deutschen Einkommensteuerveranlagung die Aufwendungen für eine in Luxemburg beschäftigte Haushaltshilfe nicht gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG absetzen dürfen, weil die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Haushaltshilfe nicht an die deutsche Rentenversicherung entrichtet worden sind?
2. Für den Fall, dass Frage 1 verneint wird: Ist Art. 48 Abs. 4 EG-Vertrag dahingehend auszulegen, dass ein EG-Bediensteter sich nicht auf Art. 48 EG-Vertrag berufen kann?
3. Für den Fall, dass Frage 2 verneint wird: Widerspricht es Art. 48 EG-Vertrag, dass ein in Luxemburg wohnender EG-Bediensteter, der im Inland als ansässig gilt und der für eine Haushaltshilfe Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Luxemburg zahlt, nicht zum Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG berechtigt ist?
4. Für den Fall, dass Frage 3 bejaht wird: Können die im Urteil vom 26.1.1993 Rs. C-112/91 – Werner (EuGH 1993, I-429, 463) entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewendet werden?
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG , Art. 6 EG-Vertrag , Art. 48 EG-Vertrag , Art. 59 ff. EG-Vertrag , Art. 92 ff. EG-Vertrag , Art. 14 Abs.1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften
Sachverhalt
Die miteinander verheirateten Kläger waren als Beamte der EG mit Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in Luxemburg tätig. Im Haushalt lebten drei Kinder (geb. 1982, 1983 und 1986).
Das FA versagte den Abzug der Aufwendungen für die Haushaltshilfe, weil die Kläger für diese Pflichtbeiträge zur luxemburgischen gesetzlichen Rentenversicherung demnach nicht zu einer inländischen Rentenversicherung entrichtet hatten. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH legt dem EuGH die im Leitsatz bezeichneten Rechtsfragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor und setzt das Verfahren gem. § 74 FGO bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Nach Auffassung des BFH sei Art. 14 Abs. 1 des Protokolls eng auszulegen; er fingiere nur den Wohnsitz, nicht aber die für den Sonderausgabenabzug erforderlichen Merkmale.
2. Zu der Frage, ob die Versagung des Sonderausgabenabzugs Art. 48 des EG-Vertrages widerspreche, gibt der BFH zu bedenken: Die europarechtliche Gleichbehandlung im Rahmen von Lenkungsnormen würde den einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit nehmen, auf negative innerstaatliche Entwicklungen zu reagieren oder eigenständige Ziele zu verfolgen.
Hinweis
Für ihre praktische Arbeit dürfte das spezielle Problem, ob es gemeinschaftsrechtlich geboten ist, dass ein deutscher Europa-Beamter die Aufwendungen für seine Haushaltshilfe in Luxemburg auch dann als Sonderausgaben abziehen kann, wenn die Haushaltshilfe nicht der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung angehört, kaum von Bedeutung sein. Ihr Interesse sollte aber die allgemeine Frage wecken, die der EuGH in diesem Verfahren zu beantworten hat.
Nach der amtlichen Gesetzesbegründung waren für die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs in § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG auf inländische gesetzliche Rentenversicherungen arbeitsmarktpolitische, volkswirtschaftliche und sozialpolitische Erwägungen maßgebend. Es stellt sich deshalb die Frage, ob auch im Rahmen solcher nationalen Lenkungsnormen jeder in einem anderen Mitgliedstaat verwirklichte Sachverhalt europarechtlich als im Inland verwirklicht zu behandeln ist.
Zunächst wird der EuGH aber die Reichweite der Regelung in Art. 14 Abs. 1 des sog. EG-Privilegienprotokolls für deutsche Bedienstete der EG zu klären haben. Fraglich ist insoweit, ob die darin enthaltene Wohnsitzfiktion sich nur auf die Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht und der Ansässigkeit i.S.d. Doppelbesteuerungsabkommen bezieht oder ob von ihr auch alle sich aus dem Wohnsitz zwangsläufig ergebenden tatsächlichen Verhältnisse mit umfasst werden. Im letzteren Fall wäre die Zahlung an die luxemburgische Rentenkasse so zu behandeln, als ob sie an eine deutsche Kasse erfolgt wäre.
Art. 14 Abs. 1 des Protokolls lautet: "Die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften, die sich lediglich zur Ausübung einer Amtstätigkeit im Dienst der Gemeinschaften im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staats niederlassen, in dem sie zur Zeit des Dienstantritts bei den Gemeinschaften ihren steuerlichen Wohnsitz haben, werden in den beiden genannten Staaten für die Erhebung der Einkommen-, Vermögen- und Erbschaftsteuer sowie für die Anwendung der zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaften geschlossenen Abkommen so behandelt, als hätten sie ihren früheren Wohnsitz beibehalten, sofern sich dieser in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaften befindet. Dies gilt auch ...