Die Frage der Zurechnung von Grundstücken entfaltet im Hinblick auf die Verwirklichung der grunderwerbsteuerbaren Ergänzungstatbestände erhebliche Relevanz. In jüngster Vergangenheit hat der BFH hierzu Stellung genommen. Nun reagiert die Finanzverwaltung auf die BFH-Rechtsprechung mit den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder v. 16.10.2023 zur Frage der Zurechnung von Grundstücken für die Ergänzungstatbestände in § 1 Abs. 2a bis 3a GrEStG und erkennt die Urteile des BFH in weiten Teilen an.

 
Hinweis

Mit Urteil vom 14.12.2022 (II R 40/20, BStBl 2023 II S. 1012) konkretisierte der BFH seine Rechtsprechung (Urteil v. 1.12.2021, II R 44/18, BStBl 2023 II S. 1009) zur Frage der Zurechnung von Grundstücken i.S. des Gehörens in einem Fall den § 1 Abs. 3 GrEStG betreffend. Sind die Grundstücke vor dem Anteilseignerwechsel – aufgrund des Abschlusses einer Vereinbarungstreuhand – bereits Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs (entweder i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG) gewesen, "gehören" diese nicht mehr zum Vermögen der Gesellschafterin der grundbesitzenden Gesellschaft. Insofern ist § 1 Abs. 3 GrEStG nicht verwirklicht.

Über die BFH-Rechtsprechung hinausgehend äußern sich die Erlasse zudem zu der Frage der Zurechnung bei Verwirklichung des § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG und des § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG. Hintergrund ist, dass die Ergänzungstatbestände § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG (Gesellschafterwechsel an grundbesitzenden Personen- bzw. Kapitalgesellschaften) vorrangig gegenüber § 1 Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG (Anteilsvereinigung und wirtschaftliche Beteiligung) anzuwenden sind.

Sofern eine Verwirklichung dieser Tatbestände zeitgleich erfolgt, verdrängt § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG die Anwendung von § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG, mit der Folge, dass kein Tatbestand nach § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG verwirklicht ist. Daher ändert sich in diesen Fällen auch die Zurechnung nicht. Anders verhält es sich laut den gleichlautenden Erlassen jedoch in den Fällen, in denen das Signing und das Closing und damit die Besteuerungszeitpunkte von § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG und § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG zeitlich auseinanderfallen. In diesen Fällen wird laut den Erlassen der Vorrang zwar durch die grunderwerbsteuerrechtliche Korrekturvorschrift des § 16 Abs. 4a i.V.m. Abs. 5 Satz 2 GrEStG umgesetzt. Dennoch gilt der Tatbestand des § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG als verwirklicht, mit der Folge, dass sich dann auch die Zurechnung ändert. Diese Zurechnung endet zudem laut Verwaltungsauffassung auch dann nicht, wenn der Bescheid nach § 16 Abs. 4a GrEStG aufgehoben oder geändert wird. Das bedeutet: trotz Aufhebung oder Änderung des Bescheids gilt das Grundstück nach Auffassung der Finanzverwaltung weiterhin als zugerechnet. Nach diesen Grundsätzen ist im Ergebnis nach Verwaltungsauffassung insbesondere eine Doppelzurechnung und damit eine Doppelbesteuerung nach § 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG möglich.

 
Hinweis

Der Ländererlass vom 16.10.2023 (BStBl 2023 I S. 1872) ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Soweit in gleich lautenden Erlassen, die vor diesem Erlass veröffentlicht worden sind, gegenteilige Ausführungen enthalten sind, sind diese Ausführungen nicht mehr anzuwenden. Es ist nicht auszuschließen, dass aus Sicht der Finanzverwaltung in Zukunft das Erfordernis besteht, auch vergangene Fälle noch einmal auf ihre Anzeigepflicht hin zu untersuchen.

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