Leitsatz

1. Gemeinsames Merkmal der nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 als Vermittlung steuerfreien Nachweis-, Verhandlungs- oder Kontaktaufnahmetätigkeit ist das Handeln gegenüber individuellen Vertragsinteressenten.

2. Marketing- und Werbeaktivitäten, die da­rin bestehen, dass sich ein Vertriebsunternehmen nur in allgemeiner Form an die Öffentlichkeit wendet, sind mangels Handelns gegenüber individuellen Vertragsinteressenten keine Vermittlung nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980.

3. Marketing, Werbung und Vermittlung sind nicht aufgrund des bloßen Ziels, den Verkauf von Fondsanteilen zu fördern, Teil einer einheitlichen Leistung, wenn der Marketing- und Werbetätigkeit durch die Gestaltung von Emissionsprospekten und durch Schulungs- und Auskunftstätigkeiten, die der allgemeinen Produktinformation dienen, eigenständiger Charakter zukommt.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte sich zur Vorbereitung und Durchführung aller Aufgaben im Bereich des Marketings und der Werbung des Fondskapitals (Gestaltung der Emissionsprospekte, Imagewerbung und Kontaktpflege zu Journalisten und Verlagen sowie die Information und Schulung von Anlageberatern) verpflichtet.

FA und FG (EFG 2006, 146) beurteilten diese Leistungen -- anders als der Kläger -- als steuerpflichtig.

 

Entscheidung

Die Revision hatte keinen Erfolg. Zwar können Wirtschaftsteilnehmer das Organisationsmodell wählen, das ihnen am besten zusagt; die Wahl des Organisationsmodells bei gleichzeitiger Steuerfreiheit setzt aber voraus, dass die Leistung ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes ist, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Tätigkeit erfüllt, die der (Gemeinschafts-)Gesetzgeber im betreffenden Befreiungstatbestand beschreibt. Der BFH bestätigte auch das FG, dass Vermittlungs- und Marketing- und Werbetätigkeit keine einheitliche Leistung, insbesondere Letztere keine Nebenleistung zur Vermittlungstätigkeit ist.

 

Hinweis

§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG 1980 befreit die Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und die Vermittlung dieser Umsätze. Neben dem steuerfreien Anteilsumsatz als Grundgeschäft ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nur die Vermittlung von Anteilsumsätzen steuerfrei. Die Steuerbefreiung erstreckt sich somit nicht allgemein auf ­Leistungen, die nach ihrem Gegenstand lediglich einen Bezug zu Ge­sell­schafts­anteilen aufweisen. Steuerpflichtig sind daher insbesondere Beratungs- oder Werbeleistungen, mit denen der Kauf von Ge­sell­schafts­anteilen lediglich empfohlen oder durch die für den Kauf von Ge­sell­schafts­anteilen geworben wird.

Zur entsprechenden Steuerbefreiung der 6. EG-RL hat der EuGH bereits entschieden, ein Umsatz, der sich auf Ge­sell­schafts­anteile bezieht, liegt nur dann vor, wenn die Leistung geeignet ist, Rechte und Pflichten in Bezug auf Ge­sell­schafts­anteile zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen. Darüber hinaus ist die Vermittlung nicht als Anteilsumsatz, sondern eigenständig als Mittlertätigkeit steuerfrei. Der Vermittler muss das Erforderliche tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen. Die Tätigkeit des Vermittlers kann da­rin bestehen, Gelegenheiten für Vertragsschlüsse nachzuweisen, mit der Gegenseite Kontakt aufzunehmen oder über die Einzelheiten der zu erbringenden Leistungen zu verhandeln. Steuerfrei sind danach auch Vorprüfungen, durch die der Vermittler feststellt, ob ein späterer Vertragsschluss in Betracht kommt. Steuerpflichtig ist demgegenüber die Ausführung "schlichter Sachaufgaben" durch den Subunternehmer, die ihm der Verkäufer des Finanzprodukts anvertraut, wie z.B. die Informationserteilung oder die Antragsannahme und -bearbeitung.

Nach diesen Grundsätzen sind Leistungen im Bereich Marketing und Werbung umsatzsteuerpflichtig. Denn sie führen nicht zu rechtlichen oder finanziellen Änderungen hinsichtlich von Anteilen. Solche Leistungen sind auch keine steuerfreie Vermittlung. Zwar dienen Marketing und Werbung ebenso wie die Vermittlung letztlich dem Zustandekommen von Verträgen. Der Begriff der Vermittlung setzt jedoch weitergehend eine zielgerichtete Tätigkeit im Hinblick auf bestimmte -- individuelle -- Vertragsinteressenten voraus. Marketing- und Werbeaktivitäten bestehen da­rin, dass sich ein Vertriebsunternehmen nur in allgemeiner Form an die Öffentlichkeit wendet, damit die Empfänger von Werbebotschaften unmittelbar Produkte erwerben. Eine solche Tätigkeit erfüllt nicht die spezifischen Funktionen einer Vermittlungstätigkeit.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 06.12.2007, V R 66/05

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