Leitsatz
Eine Schadenersatzrente nach § 844 Abs. 2 BGB, die den durch den Tod des Ehegatten eingetretenen materiellen Unterhaltsschaden ausgleicht, unterliegt nicht der ESt-Pflicht nach § 22 Nr. 1 EStG.
Normenkette
§ 22 Nr. 1, § 2 Abs. 1 EStG, § 844 Abs. 2 BGB
Sachverhalt
Der Ehemann der Klägerin verstarb an den Folgen eines ärztlichen Fehlers. Die Versicherung des Arbeitgebers des behandelnden Arztes zahlte der Klägerin ab dem Todestag des Ehemanns eine Schadenersatzrente nach § 844 Abs. 2 BGB. Von der monatlichen Zahlung entfielen zwei Drittel auf den materiellen Unterhaltsschaden und ein Drittel auf den Haushaltsführungsschaden.
Das FA berücksichtigte zunächst die Schadenersatzrente in voller Höhe als steuerpflichtige sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 EStG, erkannte aber im Lauf des Verfahrens, dass der Ersatz des Haushaltsführungsschadens nicht zu steuerbaren Bezügen führt.
Das FG gab der Klage statt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05.07.2007, 4 K 1535/05, Haufe-Index 1783684, EFG 2007, 1496).
Entscheidung
Die Revision des FA wurde aus den vorstehenden Gründen zurückgewiesen.
Hinweis
1. Mit dieser Entscheidung hat der BFH seine langjährige Rechtsprechung dadurch fortentwickelt, dass er auch in den Schadenersatzrenten, die gem. § 844 Abs. 2 BGB für den Verlust von Unterhaltsansprüchen gewährt werden, keine steuerbaren Einkünfte sieht. Damit weicht er von der Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 08.11.1995 (BStBl I 1995, 705) ab.
2. Es ist grundsätzlich anerkannt, dass der Besteuerungstatbestand des § 22 Nr. 1 EStG, die Besteuerung wiederkehrender Leistungen, regelmäßig nur dann erfüllt ist,
- wenn die Leistungen andere steuerbare Einnahmen ersetzen,
- im Fall der Korrespondenz (Realsplitting, dauernde Last) unabhängig von der Geltung eines allgemeinen Prinzips,
- sowie in Fällen, in denen die Zahlungen einen Zinsanteil enthalten.
Eine Steuerbarkeit wegen der äußeren Form kennt das ESt-Recht nicht. Ist eine Leistung als Einmalzahlung nicht steuerbar, wird sie es nicht dadurch, dass sie als zeitlich gestreckt vereinbart wird (BFH, Urteil vom 31.07.2002, X R 39/01, BFH/NV 2002, 1575).
3. Wendet man diese Erkenntnisse auf den vorliegenden Fall an, bedeutet das:
a) Nach § 844 Abs. 2 BGB ist derjenige anspruchberechtigt, dem der Getötete Unterhalt kraft Gesetzes schulden würde (sog. Unterhaltsrente). Diese Rente ist ihrer Rechtsnatur nach kein Unterhalt, sondern Schadenersatz. Sie gleicht keine steuerbaren Einnahmen, sondern den vom Getöteten geschuldeten fiktiven Unterhalt aus. Deshalb führt dies ertragsteuerlich zur Nichtsteuerbarkeit der Unterhaltsleistungen nach § 22 Nr. 1 EStG, wonach "Bezüge ... an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person" i.d.R. nicht steuerpflichtig sind.
b) Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung zur Mehrbedarfsrente nach § 843 Abs. 1 BGB, in der der BFH seine zur Steuerbarkeit von Schadenersatzrenten vertretene Rechtsprechung auf die Fälle eingeschränkt hatte, in denen Ersatz für andere, steuerbare Einkünfte geleistet wird (BFH, Urteil vom 25.10.1994, VIII R 79/91, Haufe-Index 65310, BStBl II 1995, 121).
c) Auch das sog. Korrespondenzprinzip gebietet nicht die Steuerbarkeit einer Unterhaltsrente; aus dem EStG lässt sich die generelle Geltung eines solchen Prinzips für die wiederkehrenden Bezüge nicht entnehmen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12.05.2003, GrS 1/00, BFH/NV 2003, 1480, BFH/PR 2003, 451; anders aber das BMF-Schreiben in BStBl I 1995, 705). Die Abziehbarkeit beim Leistenden und die Besteuerung des Geleisteten beim Empfänger sind zwei verschiedene, voneinander unabhängige Vorgänge. Schadenersatzleistungen sind beim Verpflichteten abziehbar, wenn sie betrieblich oder beruflich veranlasst sind und seine Leistungsfähigkeit mindern. Ob der Empfänger der Leistungen diese versteuern muss, ist unerheblich.
d) In den einzelnen Rentenleistungen gem. § 844 Abs. 2 BGB ist kein steuerpflichtiger Zinsanteil enthalten. Ansprüche auf die Unterhaltsleistungen entstehen von Gesetzes wegen sukzessiv und nur bei Vorliegen eines wichtigen Grunds kann der Unterhaltsberechtigte vom Schädiger im Ausnahmefall eine Abfindung in Kapital verlangen. Daher kann nicht angenommen werden, die Schadenersatzrente enthalte wirtschaftliche Elemente einer darlehensähnlichen Überlassung von Kapital.
4. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf dieses Urteil reagieren wird.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.11.2008 – X R 31/07