Nahezu chaotisch ist die Rechtslage bei der Erfassung und Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen und Spekulationsgewinnen. Hier ist natürlich das Interesse des Steuerpflichtigen wegen der fehlenden Kontrolldichte nicht besonders stark ausgeprägt, entsprechende Einkünfte zu deklarieren.
Die fehlende Kontrolldichte war sogar Anhaltspunkt für das BVerfG, wegen struktureller Vollzugsdefizite, die Besteuerung von Einkünften, z. B. Spekulationsgewinne in den Jahren 1997 und 1998, expressis verbis für verfassungswidrig zu erklären. Dies bedeutete, dass bei offenen Steuerfällen die entsprechenden anfallenden Steuerbeträge nicht mehr eingezogen werden durften.
Bestätigt wird diese Rechtsauffassung durch einen weiteren Beschluss des BVerfG v. 8.11.2006, wonach für eine strafrechtliche Verurteilung wegen Steuerhinterziehung aus Spekulationsgewinnen für den VZ 1997 die Grundlage fehlt. In der gleichen Entscheidung stellt das BVerfG jedoch fest, dass eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung aufgrund Nichterklärung von Zinserträgen im VZ 1993 nicht zu beanstanden ist. Die Verfassungsbeschwerde ist im Ergebnis zurückgewiesen worden.
Jedoch hat der BFH bereits in einer Grundsatzentscheidung klargestellt, dass wegen der verbesserten Erfassungsmöglichkeiten (insbesondere Zinsabschlagsteuer sowie der Erhebungssituation bei Auslandseinkünften auf Grund der ratifizierten EU-Zinsrichtlinie) die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch in den Veranlagungszeiträumen seit 1994 nicht verfassungswidrig ist.
Die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 EStG ist in den Veranlagungszeiträumen seit 1993 nicht verfassungswidrig.
Man kann jedoch realistischer Weise davon ausgehen, dass hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen – insbesondere seit der Einführung von Kontenabrufmöglichkeiten – der in der Vergangenheit zu Recht erhobene Vorwurf der Finanzverwaltung, man würde nicht genug für die steuerliche Erfassung von Kapitaleinkünften auf der Ebene der Verwaltung tun, für die Vergangenheit nicht mehr zutrifft.
Dieser Begründung hat sich auch der BFH angeschlossen und entschieden, dass die Besteuerung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (Spekulationsgewinne i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) ab VZ 1999 ff. verfassungsgemäß ist.
Ein strukturelles Vollzugsdefizit lag im VZ 1999 nicht vor.
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b EStG (den das BVerfG, soweit die Vorschrift Veräußerungsgeschäfte aus Wertpapieren betrifft, in der für 1997 und 1998 geltenden Fassung für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig gehalten hat) bleibt für das Jahr 1996 anwendbar.
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für die Jahre 1995 und 1996 gültigen Fassung ist wegen Verfassungswidrigkeit nicht nichtig. Zwar besteht für diese Jahre ein gleichheitswidriges Vollzugsdefizit, dem Gesetzgeber ist aber eine Übergangsfrist zuzubilligen, die auch die Jahre 1995 und 1996 erfasst und wegen des rechtsstaatlichen Kontinuitätsgebots noch anwendbar ist.
Zur weiteren fortbestehenden Strafbarkeit der Steuerhinterziehung wegen für den Veranlagungszeitraum 2002 nicht versteuerter Gewinne aus Spekulationsgeschäften hat das BVerfG aus der Sicht des Fiskus positiv Stellung genommen.
Auch hier ist eine Klarstellung vom BVerfG erfolgt. Die Besteuerung der Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in den Veranlagungszeiträumen 1994, 1995, 2000, 2001 ist verfassungsgemäß. Es besteht insoweit kein Vollzugsdefizit.
Die Besteuerung privater Spekulationsgewinne gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ist für den Veranlagungszeitraum 2002 mit dem Grundgesetz vereinbar. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, bei der Beurteilung eines etwaigen strukturellen Defizits des Vollzugs des § 23 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 EStG im Veranlagungszeitraum 2002 auch auf das erst nach Abschluss des Veranlagungszeitraums 2002 geschaffene Ermittlungsinstrument des Kontenabrufverfahrens abzustellen. Denn dieses Gesetz betrifft nicht die Strafbarkeit der Steuerhinterziehung oder auch nur die Steuerpflichtigkeit der Gewinne als solches, sondern allein bestimmte Rahmenbedingungen für deren effektive Durchsetzung.
Eine weitere Fallgruppe ist, dass die Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen mit den Privilegien des Strafbefreiungserklärungsgesetzes (StraBEG) begründet wird.
Hierin sieht ein FG einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil steuerehrliche Kapitalanleger ihre Kapitaleinkünfte voll versteuern mussten, während steuerunehrliche Kapitalanleger, die von dem im Dezember 2003 erlassenen Strafbefreiungserklärungsgesetz Gebrauch machten, weniger Steuern zahlen mussten, da von den nacherklärten Einkünften nur noch 60 % der Besteuerung unterworfen werden und diese dann auch nur einem ermäßigten Steuersatz von 25 % bzw. 35 % unterliegen. Es sei nicht ersichtlich, dass steuerunehrliche Kapitalanleger typischerweise höhere Werbungsk...