Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Hat der Insolvenzverwalter einen Steuerberater mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung des Insolvenzschuldners beauftragt und ist der Steuerberater aufgrund fehlender, nicht mehr vorhandener Unterlagen hierzu nicht in der Lage, darf gegen den Insolvenzverwalter kein Verspätungszuschlag festgesetzt werden.
Sachverhalt
Im Streitfall hatten weder der zuständige Insolvenzverwalter noch der Insolvenzschuldner eine Einkommensteuererklärung für das Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingereicht. Das Finanzamt schätzte daraufhin die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO und setzte gegenüber der Insolvenzmasse u. a. einen Verspätungszuschlag fest. Hiergegen machte der Insolvenzverwalter im Einspruchsverfahren geltend, die Festsetzung eines Verspätungszuschlages sei nicht gerechtfertigt, da er hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen, die der Schuldner außerhalb des Insolvenzverfahrens bezogen habe, nicht erklärungspflichtig sei. Demgegenüber vertrat das Finanzamt die Auffassung, der Insolvenzverwalter habe auch Steuererklärungen für Veranlagungszeiträume bzw. Steuerabschnitte vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzugeben.
Entscheidung
Das FG hob im Klageverfahren den festgesetzten Verspätungszuschlag auf, da seine Festsetzung rechtswidrig war und den Insolvenzverwalter in seinen Rechten verletzte. Dabei ließ das FG die Frage ob und in welchem Rahmen den Insolvenzverwalter eine Erklärungspflicht bezogen auf den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung trifft, ausdrücklich offen. Denn selbst wenn man eine solche Erklärungspflicht bejaht, war im Streitfall die Festsetzung rechtswidrig, weil aufgrund der Gesamtumstände den Insolvenzverwalter kein Verschulden an der Nichtabgabe der betreffenden Einkommensteuererklärung traf. Im Streitfall hatte der Insolvenzverwalter mit der Erstellung und Vorbereitung der Steuererklärung einen Steuerberater beauftragt. Dieser hatte nach glaubhaftem Sachvortrag sowohl bei dem damaligen Steuerberater des Insolvenzschuldners als auch bei dem Insolvenzschuldner selbst vergeblich versucht, die für die Erstellung der Steuererklärung erforderlichen Unterlagen zu bekommen. Letztlich weigerte sich der Insolvenzschuldner, an der Erfüllung der steuerlichen Pflichten mitzuwirken, so dass der Insolvenzverwalter ohne Verschulden an der Abgabe der Steuererklärungen gehindert war. Selbst wenn man eine Pflicht des Insolvenzverwalters als Insolvenzverwalter zur Abgabe einer Steuererklärung für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung annimmt, traf diesen aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls nach Überzeugung des FG kein Sorgfaltspflichtverstoß in Zusammenhang mit der Nichtgabe einer Steuererklärung.
Hinweis
In einem derartigen Sonderfall ist also die Befugnis zur Festsetzung eines Verspätungszuschlags von der Befugnis (und Verpflichtung) zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO) zu unterscheiden. Während im Regelfall gegenüber dem Steuerpflichtigem, der einen Schätzungsbescheid erhält, aufgrund der dieser Schätzung zugrunde liegenden Pflichtverletzung (Nichtabgabe der Steuererklärung) auch ein Verspätungszuschlag festgesetzt wird, ist eine mögliche Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters losgelöst von der Pflichtverletzung des Insolvenzschuldners zu beurteilen, so dass es zwar zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, nicht jedoch zu einer Festsetzung eines Verspätungszuschlags kommen kann.
Link zur Entscheidung
Thüringer FG, Urteil vom 30.11.2011, 3 K 581/09