Dipl.-Finanzwirt (FH) Jens Keese
Leitsatz
Der Vorsteuerabzug kann nach § 39a UStDV 1995/1996 auch ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis dann gewährt werden, wenn die Steuer nicht freiwillig im Abzugsverfahren nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 UStG, sondern aufgrund eines Haftungsbescheides nach § 55 UStDV entrichtet worden ist. Die im Haftungsbescheid stehenden Angaben ersetzen insoweit die weiter erforderlichen Angaben zum errechneten und abgeführten Steuerbetrag. Die 6. EG-Richtlinie steht dem wegen der Neutralität der Mehrwertsteuer nicht entgegen.
Sachverhalt
Streitig ist der Vorsteuerabzug aus Rechnungen ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis.
Die Klägerin hat das in 1993 erworbene Geschäftshaus im Jahre 1995 umgebaut und in 1996 einen zusätzlichen Anbau errichtet. Sowohl der Altbau als auch der Anbau wurden teils umsatzsteuerpflichtig und teils zu Wohnzwecken umsatzsteuerfrei vermietet.
Im April 1998 fand bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt. Dabei stellte das Finanzamt u.a. fest, dass es sich bei einer der bauausführenden Firmen um einen ausländischen Unternehmer gehandelt habe, der seine Leistungen ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis in Rechnung gestellt hat. Die Klägerin hätte - wegen des Fehlens der Voraussetzungen der sog. Nullregelung gemäß § 52 UStDV - die Umsatzsteuer im Abzugsverfahren einbehalten und dem Finanzamt abführen müssen. Weil dies nicht geschehen sei, sei die Klägerin daher zu Recht mit Haftungsbescheid gemäß § 55 UStDV in Haftung genommen worden.
Zusätzlich sei der von der Klägerin vorgenommene Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen in Höhe von 41 v.H. (für 1995) bzw. 40 v.H. (für 1996) nicht zu gewähren.
Die gegen die Umsatzsteuerbescheide 1995 und 1996 eingelegten Einsprüche wies der Beklagte als unbegründet zurück.
Die Klägerin macht in ihrer hiergegen gerichteten Klage geltend, nachdem sie die Beträge laut Haftungsbescheid - unstreitig - bezahlt habe, seien die Voraussetzungen des § 39a UStDV gegeben und damit der Vorsteuerabzug auch ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis in den Rechnungen des leistenden ausländischen Unternehmers möglich.
Der Beklagte (das Finanzamt) beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidung
Die Klage ist begründet.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Zwar liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vor, weil die Rechnungen des ausländischen Unternehmers keine gesondert ausgewiesene Steuer für ihre Leistungen an die Klägerin enthielten. Der Vorsteuerabzug kann aber abweichend von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG aufgrund der Vorschrift des § 39a UStDV in der für die Streitjahre geltenden Fassung gewährt werden.
Die Rechnungen wurden von einem im Ausland ansässigen Unternehmer erteilt. Die Klägerin hat auch im Sinne des §39a UStDV"die Steuer im Abzugsverfahren nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 UStDV an das Finanzamt entrichtet". Das FG folgt insoweit der Auffassung der Klägerin, die Zahlung der Steuer aufgrund des Haftungsbescheids sei hierfür ausreichend.
Hinweis
Die Entscheidung ist zu dem bis 31.12.2001 geltenden Abzugsverfahren ergangen. Der dem Urteilsfall zugrunde liegende §39a UStDV wurde zum 1.1.2002 aufgehoben.
Mit Einführung der Steuerschuldübernahme gem. §13b UStG zum 1.1.2002 schuldet der Leistungsempfänger nach heutiger Rechtslage in derartigen Fällen die deutsche Umsatzsteuer aus Werklieferungen und sonstigen Leistungen ausländischer Unternehmer. Der ausländische Unternehmer hat in diesen Fällen gem. §14a Abs. 4 UStG Rechnungen auszustellen, in denen er keine Steuer ausweist und auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinweist. Der Vorsteuerabzug dieser im Rahmen der Steuerschuldübernahme geschuldeten Steuer ist gem. §15 Abs.1 Nr. 4 UStG nunmehr auch ohne Rechnung mit offenem Steuerausweis zulässig.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 27.03.2003, 8 K 5170/99