Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Schließen einander nicht nahe stehende Personen einen formunwirksamen Kaufvertrag über den Geschäftsanteil an einer GmbH, geht das wirtschaftliche Eigentum über, wenn dem Erwerber das Gewinnbezugsrecht und das Stimmrecht eingeräumt werden oder der zivilrechtliche Gesellschafter verpflichtet ist, bei der Ausübung des Stimmrechts die Interessen des Erwerbers wahrzunehmen, vorausgesetzt, die getroffenen Vereinbarungen und die formwirksame Abtretung werden in der Folgezeit tatsächlich vollzogen.
Normenkette
§ 17 Abs. 1 EStG , § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO , § 41 Abs. 1 Satz 1 AO , § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG , § 29 GmbHG , § 47 GmbHG
Sachverhalt
Der Kläger – mit 26 % des Stammkapitals an einer GmbH beteiligt – und seine Mitgesellschafter traten im April 1985 mit notariellem Vertrag jeweils 0,5 % des Stammkapitals an X und aufgrund einer notariell nicht beglaubigten Vereinbarung jeweils weitere 2,5 % des Stammkapitals an Y ab. Y leistete den vereinbarten Kaufpreis, erhielt die Gewinnausschüttung für April bis Dezember 1985 und nahm an den wichtigen Gesprächen und Beratungen der GmbH teil. Der Kläger erklärte aus beiden Verkäufen einen Veräußerungsgewinn und wurde vom FA entsprechend veranlagt.
In den Vereinbarungen mit Y war diesem das Recht eingeräumt worden, an seiner Stelle seinen Bruder in die GmbH eintreten zu lassen. Die Gesellschafter übertrugen deshalb – nunmehr mit notariellem Vertrag vom 6.3.1986 – die Teilanteile von 2,5 % auf den Bruder mit dem Hinweis, dass diese Anteile bereits im April 1985 auf Y übergegangen seien. Am 28.2.1991 veräußerte der Kläger den größten Teil seiner Beteiligung an Z.
Das FA vertrat die Ansicht, dass der Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG zu versteuern sei, weil der Kläger in den letzten fünf Jahren wesentlich an der GmbH beteiligt gewesen sei. Der Kläger verwies demgegenüber darauf, dass er bereits ab April 1985 nur noch 23 % des Stammkapitals gehalten habe. Das FG stimmte dem zu (EFG 2001,1209).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das Urteil des FG. Der Kläger habe das wirtschaftliche Eigentum an der Beteiligung bereits im April 1985 und damit außerhalb der Fünfjahresfrist des § 17 EStG verloren. Darauf, dass der Vertrag vom April 1985 formunwirksam gewesen sei, komme es nicht an, weil in diesem Vertrag das Gewinnbezugsrecht übertragen, das Stimmrecht eingeräumt und die getroffenen Vereinbarungen in der Folgezeit tatsächlich vollzogen worden seien.
Hinweis
Das Urteil behandelt am Beispiel des Erwerbs einer wesentlichen Beteiligung die wichtige – und bisher noch weitgehend ungeklärte – Frage, in welchem Verhältnis die Rechtsfolge "wirtschaftliches Eigentum" (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) und die Rechtsfolge "Unerheblichkeit eines zivilrechtlich unwirksamen Geschäfts für die Besteuerung" (§ 41 Abs. 1 Satz 1 AO) zueinander stehen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass der Erwerb einer wesentlichen Beteiligung den Übergang wirtschaftlichen Eigentums voraussetzt. Hält der Steuerpflichtige die Beteiligung – wie im Streitfall – im Privatvermögen, ergeben sich die hier zu prüfenden Voraussetzungen aus § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO. Die Prüfung muss jedoch grundsätzlich eine rechtswirksame Bindung des zivilrechtlichen Eigentümers gegenüber dem wirtschaftlichen Eigentümer ergeben.
Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO muss der Erwerber den Veräußerer von jeder weiteren Einwirkung auf die Beteiligung ausschließen können. Dazu hat der BFH bereits früher ausgeführt (insbesondere im Urteil vom 18.2.2001, VIII R 5/00, BFH/NV 2002, 640), dass alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere das Gewinnbezugsrecht und das Stimmrecht) auf den Erwerber übergegangen sein müssen. Übergang im lnnenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber genügt. So lag der Fall nach den getroffenen Vereinbarungen auch hier.
Allerdings waren diese Vereinbarungen zivilrechtlich unwirksam und damit für die Beteiligten nicht verbindlich. Wirtschaftliches Eigentum setzt jedoch voraus, dass es auf schuldrechtlich wirksamer Basis begründet ist; andernfalls kann der Erwerber den Veräußerer von der weiteren Verfügung über die Beteiligungsrechte nicht ausschließen. Soll der Erwerb der Beteiligung deshalb steuerrechtlich beachtlich sein, darf die fehlende schuldrechtliche Wirksamkeit für die steuerrechtliche Beurteilung des wirtschaftlichen Eigentums kein Hindernis sein. Diese Hürde nimmt § 41 Abs. 1 Satz 1 AO mit der Folge, dass es auch für die Begründung wirtschaftlichen Eigentums genügt, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts trotz seiner zivilrechtlichen Unwirksamkeit eintreten und bestehen lassen. Das war hier der Fall.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.2.2004, VIII R 26/01