Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellung wegen Patentverletzung auch ohne Kenntnis des geschädigten Schutzrechtsinhabers; Bestimmung des Ablaufs der dreijährigen Auflösungsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bildung einer Rückstellung wegen Verletzung fremder Patente nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG setzt nicht voraus, dass der Patentinhaber von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat.
2. Wird ein und dasselbe Schutzrecht in mehreren Jahren verletzt, bestimmt sich der Ablauf der dreijährigen Auflösungsfrist i.S. des § 5 Abs. 3 Satz 2 EStG nach der erstmaligen Rechtsverletzung.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 3; HGB § 249 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, stellt technische Gebrauchsartikel für Haushalt und Handwerk her. In ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1989 hat sie Rückstellungen wegen der Verletzung fremder Patent- und Schutzrechte in Höhe von 236 956 DM ausgewiesen. Im Rahmen einer u.a. für das Streitjahr (1989) durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass von keinem Rechtsinhaber Ansprüche gegen die Klägerin geltend gemacht worden sind. Der Prüfer vertrat daher die Ansicht, dass hinsichtlich der Rechtsverletzungen nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme gerechnet werden müsse und deshalb die Rückstellungen in Höhe von 236 956 DM zu Unrecht gebildet worden seien. Zudem seien Rückstellungen für dieselben Patentverletzungen schon in den Bilanzen der Vorjahre ausgewiesen gewesen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) schloss sich im geänderten Feststellungsbescheid für 1989 vom 4. Februar 1999 der Auffassung des Außenprüfers an.
Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA als unbegründet zurück. Zur Begründung heißt es in der Einspruchsentscheidung, zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH) in dem von der Klägerin zur Stützung ihrer Auffassung herangezogenen Urteil vom 11. November 1981 I R 157/79 (BFHE 134, 432, BStBl II 1982, 748) entschieden, dass bei einer Patentverletzung im Allgemeinen unter Kaufleuten davon ausgegangen werden könne, dass die Geltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger auch dann noch wahrscheinlich sei, wenn seit der Patentverletzung bereits mehrere Jahre vergangen seien und der Patentinhaber von der Verletzung seiner Patentrechte möglicherweise noch keine Kenntnis erlangt habe. Der Gesetzgeber habe jedoch als Reaktion auf dieses Urteil die Voraussetzungen zur Bildung einer Rückstellung wegen Verletzung eines fremden Patent- und Schutzrechtes und den Zeitpunkt der Auflösung dieser Rückstellung im Jahr 1983 durch § 5 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelt. Er habe dadurch sicherstellen wollen, dass die Bildung von Rückstellungen wegen Schutzrechtsverletzungen nur in bestimmtem Umfang zulässig sei.
Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin Klage.
In einem Erörterungstermin verständigten sich die Beteiligten darauf, dass den aufgrund von Gutachten gebildeten Rückstellungen in Höhe von 236 956 DM zumindest wahrscheinlich entsprechende Verpflichtungen der Höhe nach zugrunde lägen. Auch ist es dem Terminsprotokoll zufolge zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Verbindlichkeiten in der Zeit vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht wurden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Zur Begründung führte es aus, es fehle an den Voraussetzungen, wonach Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patentrechte gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 EStG erst dann gebildet werden dürften, wenn der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht habe (Nr. 1) oder wenn mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung ernsthaft zu rechnen sei (Nr. 2).
Im Streitfall hätten die Patentrechtsinhaber unstreitig keine Ansprüche wegen Verletzung ihrer Patente geltend gemacht. Auch habe die Klägerin zum Bilanzstichtag nicht ernsthaft mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung rechnen müssen.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt ist.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA vom 26. November 2001 den geänderten Feststellungsbescheid für 1989 vom 17. Februar 2000 dahin gehend erneut zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um 236 956 DM gemindert werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Begründung, mit der das FG den streitigen Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patente die Anerkennung versagt hat, trägt die Entscheidung nicht.
1. Nach § 249 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Ungewisse Verbindlichkeiten in diesem Sinne sind u.a. solche, die am Bilanzstichtag dem Grunde nach bestehen, deren Höhe aber ungewiss ist. Voraussetzung der Rückstellungsbildung ist (soweit hier von Interesse), dass der Schuldner am Bilanzstichtag mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29. November 2000 I R 87/99, BFHE 194, 57, BStBl II 2002, 655, und vom 6. März 2003 XI R 52/01, BFHE 202, 128, BStBl II 2003, 658).
Diese Grundsätze finden nach § 5 Abs. 1 EStG auch auf die steuerliche Gewinnermittlung Anwendung.
Allerdings gilt für die Rückstellungen wegen der Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte die steuerliche Sonderregelung des § 5 Abs. 3 EStG. Sie bestimmt, dass derartige Rückstellungen erst dann gebildet werden dürfen, wenn
1. der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hat oder
2. mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung ernsthaft zu rechnen ist.
Eine nach der zweiten Fallgruppe gebildete Rückstellung ist spätestens in der Bilanz des dritten auf ihre erstmalige Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen, wenn Ansprüche nicht geltend gemacht worden sind.
Im Streitfall kommt nur die zweite Fallgruppe in Betracht. Die Bildung der streitigen Rückstellungen war daher nur dann zulässig, wenn zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1989 ernsthaft mit einer Inanspruchnahme zu rechnen war. Dazu war entgegen der Auffassung des FG nicht erforderlich, dass der geschädigte Patentinhaber in irgendeiner Weise reagiert hat. Die Klägerin als Verpflichtete musste auch nicht darlegen und beweisen, dass die Patentverletzung dem Berechtigten bekannt geworden ist oder die Kenntniserlangung unmittelbar bevorstand. Wenn ―wie im Streitfall vom FG festgestellt― eine Verbindlichkeit wegen Patentverletzung dem Grunde nach besteht, so darf im Allgemeinen unter Kaufleuten davon ausgegangen werden, dass die Geltendmachung des Anspruchs durch den Gläubiger auch wahrscheinlich ist.
Diese vom BFH in seinem Urteil in BFHE 134, 432, BStBl II 1982, 748 vertretene Auffassung ist nicht infolge der Einfügung des § 5 Abs. 3 in das EStG durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972) überholt. Allerdings reagierte der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 5 Abs. 3 EStG auf dieses Urteil, das Anlass zu der Befürchtung gegeben hatte, die Rückstellungsbildung werde ―mit der Folge beachtlicher Steuerausfälle― erheblich ausgedehnt werden (BTDrucks 9/1956, S. 38 und 9/1990, S. 35). Der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung sah den Ansatz einer Rückstellung wegen der Verletzung drohender Schutzrechte nur für den Fall vor, dass der Rechtsinhaber bereits Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hatte (BTDrucks 9/1990, S. 4). Diese Einschränkung erachteten die Wirtschaftsverbände unterstützt durch die Organisationen der steuerberatenden Berufe als zu weitgehend und sachlich nicht gerechtfertigt (BTDrucks 9/2238, S. 7). Das führte auf Vorschlag des Finanzausschusses des Bundestages zu der heute geltenden Regelung. Wörtlich heißt es in der Begründung des Finanzausschusses (BTDrucks 9/2290, S. 8):
"Die Rechtsprechung des BFH zur Rückstellung bei Patentverletzungen wird grundsätzlich bestätigt, jedoch wird eine Auflösung der vor Inanspruchnahme gebildeten Rückstellung spätestens in der Bilanz des dritten darauf folgenden Wirtschaftsjahres normiert, wenn Ansprüche nicht geltend gemacht worden sind."
Der Gesetzgeber ist daher davon ausgegangen, dass es bei dem im BFH-Urteil in BFHE 134, 432, BStBl II 1982, 748 aufgestellten Grundsatz verbleibt, demzufolge von einer Inanspruchnahme auszugehen ist, wenn die Verbindlichkeit wegen Patentverletzung dem Grunde nach besteht, und dass dem Umstand der tatsächlichen Nichtinanspruchnahme durch den Patentinhaber nur insoweit Bedeutung beigemessen wird, als sie den Zeitraum von drei Jahren übersteigt (vgl. z.B. Bordewin in Bordewin/Brandt, §§ 4 bis 5 EStG, Rz. 1156; Lambrecht, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rdnr. D 98). Diese Vorstellung des Gesetzgebers hat auch in die Formulierung des Gesetzes Eingang gefunden, indem die Vorschrift zwischen den zwei vorstehend dargestellten Fallgruppen unterscheidet. Hätte der Gesetzgeber die Kenntnis des geschädigten Schutzrechtsinhabers zur Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rückstellung machen wollen, hätte es nahe gelegen, das zum Ausdruck zu bringen. Die erste Fallgruppe wäre dann überflüssig gewesen, weil die Geltendmachung des Anspruchs dessen Kenntnis voraussetzt. Der Gesetzgeber hat sich vielmehr in der zweiten Fallgruppe für eine den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechende Passivierungsmöglichkeit verbunden mit einem steuerlichen Auflösungsgebot bei mehr als dreijähriger Nichtinanspruchnahme entschieden (Bordewin, a.a.O.; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 24. Aufl., § 5 Rz. 391; Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, §§ 4, 5, Rn. 931). Das Urteil in BFHE 134, 432, BStBl II 1982, 748 ist demnach durch die inzwischen in § 5 Abs. 3 EStG getroffene Regelung nur insoweit überholt, als es die Aussage enthält, auch eine mehrjährige Nichtinanspruchnahme stehe der Bildung einer Rückstellung nicht entgegen. In diesem Sinne ist auch die vom FG zur Stützung seiner Auffassung herangezogene Äußerung im BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92 (BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891, unter 1.b bb) zu verstehen.
Wenn das Gesetz die Bildung einer Rückstellung wegen Patentverletzung unabhängig von dem in § 5 Abs. 3 Satz 2 EStG normierten Auflösungsgebot nicht zulässt, sofern mit einer Inanspruchnahme nicht "ernsthaft zu rechnen" ist, so hat es Ausnahmefälle im Blick. Es kommen insoweit beispielsweise Fallgestaltungen in Betracht, in denen der Rechtsinhaber ―etwa wegen ansonsten guter Geschäftsbeziehungen zum Patentrechtsverletzer oder wegen finanzieller Abhängigkeit― auf die Inanspruchnahme verzichtet hat, oder Fälle, in denen er ―für den Rechtsverletzer erkennbar― keine Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangen kann (Dankmeyer/Klöckner, Der Betrieb ―DB― 1983, 301, 304).
Die Auffassung des FG lässt sich auch nicht auf die Rechtsprechung des BFH zur Zulässigkeit von Rückstellungen wegen einseitiger Verbindlichkeiten stützen. Allerdings hat der BFH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, einseitige Verbindlichkeiten seien den vertraglichen Verbindlichkeiten erst dann vergleichbar, wenn der Gläubiger von der sich aus ihnen ergebenden (möglichen) Berechtigung Kenntnis erlange. Solange dies nicht der Fall sei, habe das Vorsichtsprinzip lediglich zur Folge, dass auch eine nachweisbar unmittelbar bevorstehende Kenntnisnahme zur Bildung einer Rückstellung berechtige (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891, unter 1.b cc). Verpflichtungen aus Patentrechtsverletzungen unterscheiden sich jedoch von anderen einseitigen Verbindlichkeiten und insbesondere von den im BFH-Urteil in BFHE 172, 456, BStBl II 1993, 891 angesprochenen Verpflichtungen zur Beseitigung von Umweltschäden. Während deren Entstehung den Behörden vielfach unbekannt bleibt, werden Patentrechtsverletzungen infolge der ständigen Überwachung des Marktes dem Patentinhaber in der Regel bekannt sein (vgl. Loose in Herrmann/Heuer/ Raupach ―HHR―, § 5 EStG, Anm. 1812, m.w.N.; Lambrecht, a.a.O., § 5 Rdnr. D 99; Gschwendtner, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1994, 257; Korn in Korn, EStG, § 5 Rz. 570; Plewka/ Schmidt in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 5 Anm. 1274). Ob bei der Verletzung anderer Schutzrechte, z.B. der von Urheberrechten, etwas anderes gilt, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
2. Da das FG von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, kann seine Entscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG hat ―aus seiner Sicht konsequent― keine Feststellungen dazu getroffen, ob die streitigen Rückstellungen nicht nach § 5 Abs. 3 Satz 2 EStG aufzulösen waren. Nach den Feststellungen des Betriebsprüfers bestehen Anhaltspunkte dafür, dass für die streitigen Patente bereits zu den Bilanzstichtagen 31. Dezember 1986 bis 1988 Rückstellungen gebildet worden sind. Sollte das der Fall sein, ist Folgendes zu beachten:
Wird ein Patent in mehreren Jahren verletzt, bestimmt sich der Ablauf der Auflösungsfrist nach der erstmaligen Rechtsverletzung. Ist also beispielsweise zum 31. Dezember 01 zum ersten Mal eine Rückstellung wegen Verletzung eines bestimmten Patents gebildet worden, so ist diese Rückstellung auch dann insgesamt in der Bilanz auf den 31. Dezember 04 aufzulösen, wenn dasselbe Patent in den Jahren 02 und 03 ebenfalls verletzt und der Rückstellung deswegen weitere Beträge zugeführt worden sind (herrschende Meinung, vgl. z.B. Bordewin in Bordewinn/Brandt, a.a.O., §§ 4 bis 5 Rz. 1158 f.; ders. in Betriebs-Berater ―BB― 1983, 115, 118; Schleifer, Steuerberaterkongressreport ―StKongrRep.― 1983, 65, 87; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz. 393; Christiansen, Die steuerliche Betriebsprüfung ―StBp― 1989, 12, 16; Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 5 Rdnr. D 103; Boochs in Dankmeyer/Giloy, EStG, § 5 Rdnr. 367; Korn, a.a.O., § 5 Rz. 572; Plewka/Schmidt in Lademann, a.a.O., § 5 Anm. 1281; Blümich/Schreiber, § 5 EStG Rz. 838; R 31c Abs. 7 Sätze 2, 3 der Einkommensteuer-Richtlinien ―EStR―). Der Gegenmeinung (Clemm/Erle in Beck Bil-Komm., 4. Aufl., § 249 Anm. 100 "Patentverletzung"; Döllerer, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ―ZGR― 1983, 407, 410; HHR/Loose, § 5 EStG Anm. 1815; Hoffmann in Littmann/ Bitz/Pust, a.a.O., §§ 4, 5 Rn. 932) vermag der Senat nicht zu folgen.
Für die Richtigkeit der herrschenden Meinung spricht zum einen der Wortlaut der Vorschrift. Auch die Rückstellung für ein Schutzrecht, das in mehreren Jahren verletzt wird, kann nur einmal "erstmalig" gebildet werden (ähnlich Christiansen, StBp 1989, 12, 16). Dagegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, dass zwischen der Zuführung zu einer Rückstellung im Sinne einer Erhöhung des Rückstellungsbetrages (etwa weil sich der bisher zurückgestellte Betrag als unzureichend erweist) und der Neubildung einer Rückstellung wegen eines erneuten Rechtsverstoßes zu unterscheiden sei (so HHR/Loose, a.a.O., § 5 EStG Anm. 1815). Eine solche Unterscheidung ist nicht zwingend. Gegen sie sprechen Sinn und Zweck des in § 5 Abs. 3 Satz 2 EStG normierten Auflösungsgebotes. Das Gesetz geht ―insoweit anders als noch das BFH-Urteil in BFHE 134, 432, BStBl II 1982, 748― davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme vier Jahre nach der erstmaligen Verletzungshandlung nicht mehr hinreichend groß ist, wenn zwischenzeitlich keine Ansprüche geltend gemacht worden sind (Christiansen, StBp 1989, 12, 16). Aus der länger andauernden Untätigkeit des Rechtsinhabers wird auf dessen mangelndes Interesse an der Geltendmachung seiner Ansprüche geschlossen. Verhält es sich so, gibt es keinen Grund, die verschiedenen zeitlichen Phasen einer Schutzrechtsverletzung gesondert zu betrachten. Für diese Auffassung spricht auch, dass der Verletzte seine Ansprüche aus der Verletzung eines Schutzrechts in mehreren Jahren regelmäßig in einem Betrag zusammengefasst geltend machen wird.
Auch die im Schrifttum erörterte Möglichkeit, dass nach einer Rechtsverletzung im Jahr 01 dasselbe Schutzrecht erst wieder im Jahr 04 verletzt wird (Dankmeyer/Klöckner, DB 1983, 301, 304; Hoffmann in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., §§ 4, 5 Rn. 932), rechtfertigt keine andere Handhabung. Es entspricht vielmehr dem vorstehend dargestellten Zweck der Vorschrift, dass nach Ablauf der Dreijahresfrist weitere Rückstellungen wegen Verletzung desselben Schutzrechtes nicht zulässig sind, solange die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 5 Abs. 3 EStG nicht vorliegen, die Ansprüche also nicht geltend gemacht worden sind (R 31c Abs. 7 Satz 4 EStR).
Fundstellen
Haufe-Index 1504835 |
BFH/NV 2006, 1196 |
BStBl II 2006, 517 |
BFHE 2007, 264 |
BFHE 212, 264 |
BB 2006, 1154 |
BB 2006, 1217 |
BB 2007, 37 |
DB 2006, 1085 |
DB 2007, 27 |
DStR 2006, 885 |
DStRE 2006, 697 |
DStZ 2006, 389 |
DStZ 2006, 416 |
HFR 2006, 666 |