Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Eric Sickmann
Rn. 2
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Eine KapG (AG, KGaA, SE, GmbH) ist nach § 316 Abs. 1 prüfungspflichtig, wenn sie an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden GJ jeweils mindestens zwei der drei Größenmerkmale des § 267 Abs. 2f. für mittelgroße oder große Gesellschaften aufweist (vgl. § 267 Abs. 4 Satz 1; HdR-E, HGB § 267). Bei einer in den Kreis der prüfungspflichtigen KapG "hineinwachsenden" Gesellschaft setzt die Prüfungspflicht mit dem zweiten von zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen ein, an denen die Größenmerkmale des § 267 Abs. 2 oder 3 vorliegen. Die Prüfungspflicht beginnt nicht erst am darauffolgenden (dritten) Abschlussstichtag. Entsprechend entfällt bei einer bisher prüfungspflichtigen mittelgroßen oder großen KapG die Prüfungspflicht bereits am zweiten von zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen, an denen die Gesellschaft die für kleine KapG geltenden Größenmerkmale des § 267 Abs. 1 aufweist (vgl. Gelhausen, AG 1986, S. 67 (70); ADS (2000), § 316, Rn. 30f.). Bei einem mehrmaligen Wechsel der Größenklassen ist bis zu dem Abschlussstichtag zurückzugehen, an dem erstmalig die Größenklasse mit der des vorangegangenen Abschlussstichtags übereinstimmt, um beurteilen zu können, ob eine Prüfungspflicht gegeben ist (vgl. Biener/Berneke (1986), S. 165). Im Fall einer Umwandlung oder Neugründung besteht die Prüfungspflicht bereits am ersten Abschlussstichtag nach einer solchen Maßnahme, soweit die erforderlichen Größenmerkmale gegeben sind (vgl. § 267 Abs. 4 Satz 2); dies wiederum gilt nicht für den Fall eines Formwechsels, sofern der formwechselnde Rechtsträger eine KapG oder PersG i. S. d. § 264a Abs. 1 ist (vgl. § 267 Abs. 4 Satz 3; BT-Drs. 18/4050, S. 60).
Rn. 3
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
In nachstehender Übersicht sind die Größenklassen des § 267(a) und ihre Folgen für die Prüfungspflicht dargestellt. Im Zusammenhang mit der Umsetzung des sog. Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG) vom 17.07.2015 (BGBl. I 2015, S. 1245ff.) wurden die Schwellenwerte für die Größenklassen des § 267 letztmalig angehoben (vgl. BT-Drs. 18/4050, S. 60).
Übersicht: Kreis der prüfungspflichtigen Kapitalgesellschaften im Überblick
Vorstehende Übersicht zeigt, dass KapG, deren BS 6 Mio. EUR übersteigt, deren UE über 12 Mio. EUR liegen und die mehr als 50 AN beschäftigen, prüfungspflichtig sind (mindestens zwei dieser Größenkriterien müssen gleichzeitig erfüllt sein).
Rn. 4
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Die im Prinzip allein von der Größe einer KapG abhängige Prüfungspflicht kennt eine Reihe von Ausnahmen:
Unabhängig von den Größenmerkmalen des § 267 Abs. 1 gelten kap.-marktorientierte KapG (vgl. § 264d) stets als große KapG und sind selbst dann prüfungspflichtig, wenn sie die Größenmerkmale kleiner KapG (vgl. § 267 Abs. 1) aufweisen (vgl. § 316 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 267 Abs. 3 Satz 2).
Für KapG bestimmter Wirtschaftszweige – wie Kredit-, Finanzdienstleistungs-, Wertpapier-, Zahlungs- und E-Geld-Institute (vgl. § 340k) sowie Versicherungs-UN und Pensionsfonds (vgl. § 341k) – gelten Spezialvorschriften (vgl. bereits Gross/Schruff (1986), S. 401, 412).
Von der generellen Prüfungspflicht sind gemäß § 264 Abs. 3 nicht kap.-marktorientierte KapG befreit, die TU eines nach § 290 zur Aufstellung eines KA verpflichteten MU sind, sofern sie die in § 264 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1–5 geregelten Voraussetzungen erfüllen. Das Gleiche gilt gemäß § 264 Abs. 4 für KapG, die TU eines nach § 11 PublG zur Aufstellung eines KA verpflichteten MU sind, soweit § 314 Abs. 1 Nr. 6 angewendet wurde und nicht auf die Angaben zur Vergütung der Organe des MU gemäß § 314 Abs. 3 i. V. m. § 286 Abs. 4 verzichtet wurde.
Rn. 5
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
KapG im Stadium der Abwicklung sind zwar ebenfalls grds. prüfungspflichtig, die Gesellschaften können allerdings durch Gerichtsbeschluss von der Prüfung befreit werden, wenn eine AP im Interesse der Gläubiger und Anteilseigner nicht geboten erscheint (vgl. § 270 Abs. 3 Satz 1 AktG und § 71 Abs. 3 Satz 1 GmbHG). Der Gesetzgeber trägt mit der grds. Prüfungspflicht aber dem Umstand Rechnung, dass Gesellschaften im Stadium der Abwicklung ihren Geschäftsbetrieb häufig noch einige Zeit fortführen (vgl. BT-Drs. 10/317, S. 107). Auch in diesem Zeitraum soll also im Regelfall die Zuverlässigkeit der RL durch jährliche AP gewährleistet werden.