Versagung des Vorsteuerabzugs bei Steuerbetrug
Praxis-Hinweis: Finanzamt muss beweisen, dass der Steuerpflichtige vom Steuerbetrug wusste
Umsatzsteuer ist längst nicht mehr die einfache Steuer, die sie vor Jahrzehnten vielleicht einmal war. Es ist deshalb höchste Sorgfalt bei der steuerlichen Beurteilung von Sachverhalten angezeigt, sonst kann es richtig teuer werden. Dies zeigt auch einmal wieder der Besprechungssachverhalt. Bemerkenswert ist dabei allerdings zunächst, dass beide Beteiligten, Klägerin und Finanzamt, mit der Entscheidung des Finanzgerichts nicht einverstanden waren und den Gang zum BFH angetreten haben. Und beide unterlagen mit dem jeweiligen Vorbringen. Für Steuerpflichtige sind die Aussagen des BFH denn auch einmal positiv und einmal weniger positiv. Als positiv ist es anzusehen, dass der BFH (BFH, Urteil v. 11.3.2020, XI R 38/18) Folgendes betont:
Es obliegt dem Finanzamt, den Nachweis zu führen, dass der Steuerpflichtige im jeweiligen Einzelfall von einem Steuerbetrug wusste oder hätte wissen müssen. Dies sagt schon das Rechtsempfinden, denn nach allgemeinen Beweislastregeln obliegt es jeder Partei, die Tatsachen zu beweisen, die für sie positiv sind. Ist das Finanzamt also der Auffassung, dass ein Steuerpflichtiger in eine Steuerstraftat eingebunden ist oder von dieser wusste, muss es diese Tatsache beweisen. Alles andere wäre aus rechtsstaatlichen Erwägungen heraus auch schlicht nicht vorstellbar. Trotzdem ist es gut, dass der BFH dies noch einmal betont hat.
Weniger erfreulich sind die Aussagen zum Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG. Nach dieser Bestimmung kann ein Unternehmer unter gewissen Umständen einen Vertrauensschutz geltend machen, wenn
- die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und
- der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.
In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. Allerdings sind die Anforderungen an das, was der BFH als die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ansieht, recht hoch. Er hat in jedem Fall, zeitnah zur ersten Lieferung und auch später immer wieder in regelmäßigen Abständen die Umsatzsteueridentifikationsnummer zu prüfen. Hierauf ist besonders zu achten.
Finanzamt unterstellte ein Umsatzsteuerkarussell
Die Klägerin, eine GmbH, betrieb in den Streitjahren den Handel mit Getränken im In- und Ausland. Von 2 deutschen GmbHs bezog sie Waren in einem größeren Umfang. Im Rahmen einer Außenprüfung warf das Finanzamt der Klägerin vor, sie sei in eine sog. Umsatzsteuerkarussellkette eingebunden gewesen. Ziel der Lieferungen sei allein die Hinterziehung von Umsatzsteuer gewesen. Die durch die Klägerin geltend gemachte Vorsteuer ist deshalb nicht anzuerkennen.
In einem weiteren Fall hatte die Klägerin Lieferungen an eine luxemburgische Gesellschaft vorgenommen. Allerdings stellte sich später heraus, dass die Lieferungen tatsächlich nach Deutschland erfolgt sind und die luxemburgische Umsatzsteueridentifikationsnummer seit 2010 nicht mehr gültig war. Insofern nahm das Finanzamt keine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an, sondern eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung innerhalb Deutschland. Im Einspruchsverfahren wandte die Klägerin ein, sie habe keine Kenntnis von der Ungültigkeit der Umsatzsteueridentifikationsnummer gehabt. Auch habe das Finanzamt nicht unverzüglich die Mitteilung von der Ungültigkeit weitergegeben. Im Hinblick auf die Vorsteuer aus den Einkäufen von den deutschen GmbHs hatte die Klage Erfolg. Wegen der nicht anerkannten innergemeinschaftlichen Lieferungen gab das Finanzgericht hingegen dem Finanzamt recht. Beide Seiten erhoben die Revision zum BFH.
BFH wies beide Revisionen ab
Der BFH wies beide Revisionen ab und bestätigte somit in vollem Umfang die Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg. Den Vorsteuerabzug aus den Lieferungen von den deutschen GmbHs hat das Finanzamt zu Unrecht versagt. Zwar ist es gefestigte Rechtsprechung, dass der Vorsteuerabzug zu versagen ist, wenn der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit dem Erwerb an einem Umsatz teilnimmt, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung eingebunden ist. Allerdings muss das Finanzamt dies nachweisen. Und hier ist dieser Nachweis durch das Finanzamt nicht erbracht. Deshalb ist der Vorsteuerabzug zu gewähren. Allerdings war auch die Revision der Klägerin unbegründet. Ein Vertrauensschutz auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung wurde zu Unrecht versagt. Die Klägerin hat es nämlich sorgfaltswidrig unterlassen, zeitnah zur ersten Lieferung und darauffolgend in regelmäßigen Abständen die Gültigkeit der Umsatzsteueridentifikationsnummer abzufragen. Insofern liegt hier eine umsatzsteuerpflichtige Lieferung vor.
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