Veräußerungsverluste: Zu spät fürs Finanzamt, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
In vielen Lebenslagen begegnet einem der Michail Gorbatschow zugeschriebene Ausspruch. Doch während ein Versäumnis in manchen Fällen einfach nur ärgerlich ist, kann es sich in anderen deutlich auf dem eigenen Konto bemerkbar machen. Davon müssen auch diejenigen ausgehen, die bei der Einkommensteuererklärung Fristen versäumen. Unerheblich ist dabei, ob Unterlagen verlegt wurden, ein Vorgang schlichtweg untergegangen ist oder ob Angaben aus Unkenntnis unvollständig blieben.
Nachträglich erklärte Verluste bleiben unberücksichtigt
Diese Erfahrung musste ein Ehepaar machen, das in den Jahren 2007 und 2008 keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erklärt hatte. 2014 meldeten die beiden dann nachträglich aber Verluste, die ihnen beim Verkauf von Wertpapieren entstanden waren. Das zuständige Finanzamt erkannte im späten Bekanntwerden jedoch ein grobes Verschulden der Steuerpflichtigen und berücksichtigte diese Verluste daher nicht. Da die Einkommensteuerbescheide bereits teilweise verjährt waren, lehnte es außerdem den Antrag auf Verlustfeststellung ab.
Die anschließende Klage des Ehepaars wies das Finanzgericht München als unbegründet ab. Ihre Entscheidung erklärten die Richter damit, dass die Einkommensteuerbescheide verfahrensrechtlich bereits unabänderbar geworden waren. Dieser Meinung schloss sich der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil v. 28.07.2021, IX R 29/19) an und wies die Revision ebenfalls als unbegründet zurück. Dabei betonten die Richter, dass die Voraussetzungen für eine Änderung der bestandskräftigen Bescheide nicht vorgelegen hatten.
Bindungswirkung bestandskräftiger Steuerbescheide auf die Verlustfeststellung
Grundsätzlich gilt bei einem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid, dass eine erstmalige Verlustfeststellung von nachträglich erklärten Verlusten nur dann möglich ist, wenn auch der Steuerbescheid nochmals geändert werden kann. Ansonsten unterliegt sie der Bindungswirkung durch den Bescheid. Voraussetzung für eine Änderung wäre demnach, dass neue Tatsachen bekannt werden, die zu einer Änderung der ursprünglich festgesetzten Steuer führen. Als Ursache für das späte Bekanntwerden darf dabei jedoch kein grobes Verschulden beim Steuerpflichtigen vorliegen.
Allerdings benannte der Bundesfinanzhof eine Ausnahme in Bezug auf die Bindungswirkung des Einkommensteuerbescheids auf die Verlustfeststellung. Diese ergibt sich dann, wenn eine mögliche Änderung des Bescheids unterbleibt, weil die neuen Tatsachen keine Auswirkungen auf die Höhe der festgesetzten Steuer haben. Unabhängig von der Ursache, die zur gleichbleibenden Besteuerung führt, wäre in diesem Fall eine nachträgliche Verlustfeststellung möglich. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Im aktuellen Streitfall war die Verjährung aber bereits eingetreten, sodass eine Korrektur nicht in Betracht kam.
Abhängigkeit zwischen Einkommensteuerbescheid und Verlustfeststellung
Deutlich wird bei der Entscheidung des Bundesfinanzhofs, wie eng die Verlustfeststellung mit der Festsetzung der Einkommensteuer verbunden ist. Denn maßgeblich für mögliche Änderungen ist allein die Frage, ob der Einkommensteuerbescheid aus verfahrensrechtlichen Gründen korrigierbar wäre. Ist dies der Fall, folgt daraus erst die Möglichkeit zu einer nachträglichen Korrektur der Verlustfeststellung. Die tatsächlichen steuerlichen Auswirkungen bei der Einkommensteuer sind jedoch unerheblich.
Praxistipp: Diese Fristen gelten für Steuerbescheide
In Zusammenhang mit ihrer Steuererklärung sollten Steuerpflichtige bestimmte Fristen kennen und beachten. So wird ein Einkommensteuerbescheid nach Ablauf der Einspruchsfrist von einem Monat bestandskräftig. Dies gilt allerdings nicht, wenn er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wurde oder vorläufig ist. In beiden Fällen kann der Steuerbescheid von Seiten der Behörde geändert werden. Bei einem vorläufigen Bescheid sind davon in der Regel einzelne Punkte betroffen. In den übrigen hat er dann jedoch bereits Bestandskraft.
Die Festsetzungsfrist – oft auch als Verjährungsfrist bezeichnet – beträgt im Normalfall 4 Jahre. Bei leichtfertiger Steuerverkürzung läuft sie jedoch über 5 und bei Steuerhinterziehung über 10 Jahre. Nur bis zum Ende dieser Frist kann das Finanzamt unter bestimmten Voraussetzungen einen bestandskräftigen Steuerbescheid ändern oder überhaupt den Steuerbescheid verschicken. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Steuerpflichtige seine Erklärung bei der Behörde einreicht.
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