Das entscheidende Kriterium einer vollständigen Rechnungsanschrift
Vollständige Anschrift - und trotzdem kein Vorsteuerabzug?
Längst ist es nicht mehr selbstverständlich, dass die in der Rechnung genannte Adresse eines Unternehmens den tatsächlichen Firmensitz angibt. Oft handelt es sich stattdessen um eine bloße Briefkastenanschrift. Gerade Anbieter von digitalen Produkten oder Dienstleister machen davon Gebrauch. Einige von ihnen arbeiten aus dem Homeoffice und wollen ihre Privatadresse nicht öffentlich nennen, andere haben ihren Arbeitsplatz zumindest zeitweise in weit entfernte Länder verlegt. Zu einem Problem konnte dies bisher aber für den Auftraggeber werden – nämlich dann, wenn er als Unternehmer Vorsteuer aus solchen Rechnungen geltend machen wollte.
Genau diese Erfahrung musste 2007 der Betreiber einer Gebäudereinigung und eines Internetcafés machen. Obwohl die von ihm eingereichten Rechnungen zweier Auftragnehmer Straßen- und Ortsangaben erhielten, verweigerte das Finanzamt den Vorsteuerabzug und begründete dies mit falschen Rechnungsangaben. Dieser Meinung schloss sich auch das Finanzgericht Köln an, das die Klage des Unternehmers abwies. In seiner Begründung gab das Gericht an, dass die beiden Rechnungsaussteller unter der jeweils angegebenen Anschrift keine Betriebsstätte oder Wohnung unterhielten.
BFH verlangt keine wirtschaftliche Aktivität unter Rechnungsadresse
Die Entscheidung der ersten Instanz wollte der Gebäudereiniger und Betreiber des Internetcafés jedoch so nicht hinnehmen und ging dagegen in Revision vor dem Bundesfinanzhof (BFH). Dabei führte er an, dass beide Unternehmen unter den in der Rechnung genannten Adressen per Post erreichbar waren. Dieses Kriterium reichte auch dem BFH (Urteil vom 05.12.2018 - XI R 22/14), sodass er alle Anforderungen an eine vollständige Rechnungsanschrift als erfüllt ansah. Eine wirtschaftliche Aktivität unter der Rechnungsadresse ist demnach keine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Stattdessen genügt jede Art von Anschrift, solange ein Unternehmer dort tatsächlich erreichbar ist. Dies stellte auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf mehrere Vorlagen durch den BFH noch einmal ausdrücklich klar.
Maßgeblich ist Erreichbarkeit zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung
Damit eine Rechnung vollständig ist und die notwendigen Kriterien für den Vorsteuerabzug erfüllt, kommt es allerdings auf die richtige zeitliche Zuordnung an. Entscheidend ist dabei, dass die Rechnung als Adresse die Straßen- und Ortsangaben enthält, wo der Unternehmer zum Zeitpunkt der Rechnungserstellung per Post erreichbar ist. Ob er dort auch zu erreichen war, als die Leistung erbracht wurde, ist dabei unerheblich.
Hintergrund dieser Anforderungen ist, dass die Rechnungsadresse dem Finanzamt eine Kontrollmöglichkeit geben soll. Das heißt, die Behörde soll auf diese Weise überprüfen können, ob die beteiligten Unternehmer ihre Steuerpflichten korrekt erfüllen. Da die Finanzbehörde jedoch erst nach Erstellung der Rechnung von einer getätigten Leistung oder einem Verkauf erfährt, ergibt sich daraus der maßgebliche Zeitpunkt für die enthaltenen Angaben. Verantwortlich für korrekte Angaben in einer Rechnung ist allerdings der Leistungsempfänger.
Praxistipp: Unternehmer sollten postalische Erreichbarkeit prüfen
Da die Verantwortung der Überprüfung einer korrekten Rechnungsanschrift grundsätzlich bei deren Empfängern sieht, sollten Unternehmer diese Daten bei ihnen unbekannten Dienstleistern oder Lieferanten tatsächlich kontrollieren. Nur so sind sie auf der sicheren Seite und können sicherstellen, dass eine Rechnung tatsächlich zum Vorsteuerabzug berechtigt. Am einfachsten nachzuweisen ist dies durch einen Brief, der seinen Empfänger an der genannten Adresse erreicht.
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