Facebook reformiert die „Libra“ und plant den „Diem“
Ursprüngliche Zielsetzung der Libra
Die Libra, welche in der Wallet Calibra verwahrt werden sollte, beruhte ursprünglich auf dem Gegenwert eines Währungskorbes und sollte als Zahlungseinheit für digitale Dienstleistungen des Facebook-Konzerns sowie der weiteren Mitglieder der Libra Association dienen. Kritikpunkte zahlreicher Politiker und der US-amerikanischen Finanzaufsicht zielten insbesondere auf einen mangelnden Datenschutz und mögliche Unsicherheitsaspekte der Kryptowährung ab. Folglich verließen einige namenhafte Mitglieder das Unternehmenskonsortium, welches es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten, und Finanztransaktionen kostengünstig und schnell abwickeln zu können und dazu ein eigenständiges Zahlungsnetzwerk zu initiieren.
Die Bedeutung solcher Vorhaben für den globalen Kapitalmarkt und die Finanzbranche werden nicht nur von der Bundesbank, sondern auch von vielen weiteren Kapitalmarktaufsichtsbehörden und Politikern, mit scheinbar unterschiedlichen Einschätzungen, beobachtet. Eine Abkehr dieser global Player vom etablierten Bankensystem birgt sowohl Chancen als auch Risiken.
Bundesbank agiert diplomatischer als andere Regulierungsbehörden
Die Bundesbank äußert sich bisher eher diplomatisch bzw. mit mehr Weitblick als zahlreiche ihrer Pendants und beobachtet die derzeitigen Entwicklungen, laut eigener Aussage, sehr aufmerksam, jedoch mit positiver Grundeinschätzung. Gründe dafür sind beispielsweise die Opportunitäten für Finanztransaktionen und die Wertpapierabwicklung, welche sich aus der Digitalisierung und der, zahlreichen digitalen Währungen zugrundeliegenden, Technologie ergeben.
Da die Blockchain-Technologie nicht zwangsläufig mit der Emission einer Kryptowährung einhergehen muss, sondern auch davon losgelöst existieren kann, ist es nachvollziehbar, dass der Fokus der Bundesbank nicht zwangsläufig auf diversen Token, sondern vielmehr auf der Blockchain und deren Nutzungsmöglichkeiten liegt. Zentraler Aspekt einer jeden (technischen) Weiterentwicklung von Zahlungssystemen oder Ähnlichem muss jedoch immer die Sicherung der Effizienz und Funktionsfähigkeit des Zahlungsverkehrs sowie der Geldwert- und Finanzmarktstabilität sein.
Dem aufmerksamen Beobachter wird schnell klar, dass die deutsche Kapitalmarktaufsicht mit ihrer Einschätzung quasi Neuland beschreitet und – entgegen zahlreicher internationaler, deutlich kritischerer Stimmen – eben auch die Vorzüge und Chancen schildert, die sich durch ausgewählte Token und insbesondere die Blockchain-Technologie ergeben können. Gerade sogenannte Stable Coins, die sich durch eine deutlich geringere Schwankungsintensität – im Vergleich zu Bitcoin, Ethereum, Ripple und Co. – auszeichnen, werden positiv akzentuiert, da sie sich beispielsweise für schnelle und kostengünstige Transaktionsabwicklungen eignen.
Details bei der Ausgestaltung eines Stable Coins sind entscheidend, um Risiken zu beherrschen
Diese Stable Coins weisen in der Regel eine Art Besicherung auf und sind an eine einzelne Währung bzw. einen Währungskorb oder anderweitige Assets gekoppelt. Diese Sicherheit soll die Schwankungsintensität im Vergleich zu anderen Kryptowährungen verringern. Der Gegenwert eines Stable Coins wird demnach vom Initiator in den besichernden Assets angelegt, ohne jedoch eine rechtsverbindliche Rücktauschverpflichtung einzugehen – was jedoch wiederum ein Risiko der Nutzer zur Folge hat. Die Art der Ausgestaltung der Sicherungsleistungen sowie die ausbleibende Zusage, die Assets wieder in die ursprüngliche (Krypto-)Währung zu transferieren, bringen zudem weitere Risiken mit sich, die zu einer grundsätzlichen Verfehlung der ursprünglichen Ziele eines Stable Coins – nämlich eben der sicheren Anlage in einer digitalen Währung – führen können. Stable Coins können demnach sehr unterschiedlich aufgebaut sein. Anwender oder Interessenten sollten sich genau über die Art der Besicherung informieren, um die daraus entstehenden Chancen und Risiken beurteilen zu können.
Single-Currency Stable Coin in USD, EUR und GBP
Die Neuerungen, die Facebook über die Namensänderung des Coins von Libra zu Diem und der Wallet von Calibra hin zu Novi hinaus beabsichtigt, sind maßgeblich auf die Besicherung des Stable Coins zurückzuführen. Der ursprüngliche Währungskorb soll zukünftig durch die Bindung an einen Reservefonds, bestehend aus Devisen und kurzlaufenden Staatsanleihen ersetzt werden.
Ziel ist demnach die Emission sog.„Single-Currency Stable Coins“, die an Euro, US-Dollar oder das Britische Pfund gebunden sind. Diese werden in einem übergeordneten „Multi-Currency Stable Coin“ für internationale Zahlungen zwischen unterschiedlichen Währungen zusammengefasst. Die Diem Unternehmenskooperation, welche in Zukunft unter dem Namen Diem Association agiert, geht von einer zeitnahen Genehmigung der Schweizer Finanzmarktaufsicht aus. Der Sitz der Vereinigung ist nicht in den USA, sondern – analog der ursprünglichen Planung – in der Schweiz.
Makroökonomische Effekte durch Stable Coins
Ob oder wann Facebook & Co. den Diem für digitale Zahlungsvorgänge anbieten und wie sich dessen Akzeptanz entwickelt wird, bleibt abzuwarten bzw. muss trotz der vorgenommenen Anpassungen in Frage gestellt werden. Den politischen und juristischen Widerstand zu überwinden, erscheint weiterhin herausfordernd, denn mittlerweile existieren in den USA Gesetzesvorlagen, die folgendes besagen: Stable Coins, die mit Wertpapieren, Fiat- oder anderen Kryptowährungen (die wiederum mittels anderer Fiat-Währungen hinterlegt sind) besichert sind, werden wie Wertpapiere reguliert und beaufsichtigt. Dieser Ansatz resultiert aus den grundsätzlichen Bedenken einer Verunsicherung der Finanzstabilität bzw. unbeabsichtigter makroökonomischer Effekte, die sich von einer derartigen Kryptowährung auf das analoge Geld- und Finanzsystem ausbreiten könnten. Das bisherige Währungsmonopol könnte somit ins Ungleichgewicht geraten, wenn zahlreiche Anwender eines Stable Coins diese schnell oder zeitgleich veräußern und somit eine Abwärtsspirale der Kurse bzw. der den Bewertungen zugrundeliegenden Sicherheiten auslösen, da diese ebenfalls schnellstmöglich verwertet werden müssten.
Genügen die Anpassungen um (aufsichts-)rechtliche Bedenken auszuräumen?
Geplant ist die finale Auflage des Diem für das Jahr 2021, genaues ist jedoch noch unbekannt und hängt maßgeblich von den nötigen Zulassungen ab, die noch nicht erteilt wurden. Diesbezüglich bleibt es offen, ob die vorgenommen Anpassungen zu den entsprechenden Ermächtigungen und weniger politischem und aufsichtsrechtlichem Widerstand führen. Die geplanten KYC-Prozesse (Legitimationsprüfung von bestimmten Neukunden zur Verhinderung von Geldwäsche) werden zumindest die Möglichkeiten zur anonymen Nutzung deutlich verringern und ggf. datenschutzrechtlichen Bedenken Einhalt gebieten.
Grundgedanke der Dezentralität einer Kryptowährung
Die Gründung einer digitalen Währung – sei sie noch so sicher – durch ein Unternehmenskonsortium mit ausschließlich eigenen wirtschaftlichen Interessen und dessen Vorbehalt des Transaktionsmonopols, erscheint derzeit zumindest schwer vorstellbar. Der Grundgedanke von Kryptowährungen beruht auf der Dezentralität, welche mit der Verfolgung solch wirtschaftlicher Ziele einer oder mehrerer zentraler Instanzen konterkariert wird.
Die von Facebook & Co. vorgenommenen Anpassungen haben das Ziel, nicht nur für Dienstleistungen der angeschlossenen Unternehmen zu dienen, sondern die größte Digitalwährung der Welt zu erschaffen. Ob dieses gewagte Vorhaben, nach dem Ausscheiden u. a. von Mastercard, Ebay, Visa und Vodafone realistisch erscheint, bleibt abzuwarten. Zudem hat sich Paypal zuletzt dem Bitcoin deutlich angenähert, welcher als größter Widersacher des Vorhabens von Facebook gesehen werden kann. Denn: Der Bitccoin verfügt bereits über eine Historie und gewachsene Kapitalisierung. Zudem existieren bereits zahlreiche Kryptowährungen, deren Blockchain-Technologien sich bei der Umsetzung von Smart-Contracts bewährt haben – und das auch ohne Besicherung.
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