Offenbare Unrichtigkeit oder Rechtsfehler: Wann das Finanzamt den Steuerbescheid korrigieren kann
Jeder dritte Steuerbescheid in Deutschland ist falsch, wie zahlreiche Quellen immer wieder berichten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von einer fehlerhaften Eingabe des zuständigen Sachbearbeiters bis hin zur falschen Bewertung von Sachverhalten. Oft geht der Fehler zulasten des Steuerpflichtigen. Doch manchmal profitiert er auch und das Finanzamt erlässt einen Änderungsbescheid, sobald es den eigenen Irrtum erkennt. Nicht immer muss der Steuerzahler diesen jedoch hinnehmen.
Diese Erfahrung machte auch ein Ehepaar nach seiner ersten gemeinsamen Einkommensteuererklärung. Darin hatte es in der Anlage S unter anderem die Einkünfte des Ehemannes aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 129.000 Euro angegeben. Beim Scannen der amtlichen Vordrucke im zuständigen Finanzamt wurde dieses Formular jedoch offenbar übersehen, sodass die Einkünfte des Ehemannes unberücksichtigt blieben. Auch eine anschließende manuelle Prüfung änderte daran nichts, obwohl eine Sachbearbeiterin und der zuständige Sachgebietsleiter den Fall bearbeiteten. Dabei folgten sie den Prüf- und Risikohinweisen, die wegen der erstmaligen Zusammenveranlagung im Finanzamt eingegangen waren.
Wenn das Finanzamt Prüfhinweise nicht beachtet
Erkannt hat das Finanzamt seinen Fehler schließlich im folgenden Jahr, worauf es umgehend einen Änderungsbescheid über die Einkommensteuer des Vorjahres erließ. Mit seiner Klage dagegen scheiterte das Ehepaar zunächst vor dem Finanzgericht Düsseldorf. Ihre Entscheidung begründeten die Richter damit, dass die Verantwortlichen bei der manuellen Prüfung lediglich den beim Scannen unterlaufenen Fehler fortgeschrieben hätten. Eine neue Willensbildung erkannten sie im Bearbeiten der Risikohinweise nicht.
Anders sah dies jetzt aber der Bundesfinanzhof (BFH), da die Prüfhinweise im aktuellen Fall die Sachbearbeiterin zu einer weiteren Ermittlung des Sachverhalts hätten veranlassen müssen. Weil sie dies jedoch unterlassen hatte, kann nun nach Einschätzung der Richter keine offenbare Unrichtigkeit mehr vorliegen. Denn trotz Risikomanagementsystems bleibt das Finanzamt zur individuellen Aufklärung verpflichtet. Als Folge daraus überlagert nun der Fehler der mangelnden Prüfung den ursprünglich vorliegenden manuellen Fehler.
Wann eine offenbare Unrichtigkeit vorliegt und was daraus folgen kann
Offenbare Unrichtigkeiten sind mechanische Fehler, die ohne intensive weitere Prüfung erkannt werden können. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Schreib- oder Rechenfehler. Auch eine falsche Eingabe oder Datenübernahme fällt in diesen Bereich. Nicht dazu zählt die fehlerhafte Anwendung einer Rechtsnorm wie dies bei einer falschen Würdigung von Tatsachen oder einem Irrtum über einen Sachverhalt der Fall ist.
Anders als eine offenbare Unrichtigkeit sind diese Anwendungsfehler nicht jederzeit durch das Finanzamt korrigierbar. Besteht auch nur eine ernsthafte Möglichkeit, dass ein falscher Steuerbescheid seine Ursache in der fehlerhaften Auslegung von Rechtsnormen hat, darf das Finanzamt nicht mehr von einer offenbaren Unrichtigkeit ausgehen. Eine jederzeitige Korrektur des erlassenen Bescheids fällt damit für die Behörde weg. Grundlage für die Entscheidung, welcher Fehler in einem Fall vorliegt, bilden dabei mögliche Bearbeitungsvermerke.
Praxistipp: Wie Steuerpflichtige sich bei fehlerhaftem Steuerbescheid zu ihren Gunsten verhalten sollten
Erlässt das Finanzamt einen fehlerhaften Steuerbescheid, der sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkt, muss dieser nicht aktiv tätig werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die eingereichte Steuererklärung vollständig und richtig war. Ist dies der Fall, hat der Steuerpflichtige seine Erklärungspflicht ausreichend erfüllt. Er ist nicht dazu verpflichtet, die Fehler der Behörde richtig zu stellen.
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