Wie Banken die Kapitaldienstfähigkeit berechnen
Praxistipp: Kapitaldienstfähigkeit zunächst selbst berechnen
Die Kapitaldienstfähigkeit vor jedem Kreditgespräch selbst berechnen. Nur auf dieser Basis können Unternehmen ihre Verhandlungsposition realistisch einschätzen und sich gut auf anstehende Gespräche vorbereiten.
Neben dem Rating hat Kapitaldienstfähigkeit entscheidende Bedeutung
Wie erfolgreich Sie in Kreditgesprächen sind, hängt in letzter Konsequenz von Ihrer Verhandlungsmachtposition ab. Dabei kommt der Berechnung der Kapitaldienstfähigkeit (KDF) neben dem Rating eine entscheidende Bedeutung zu. Die Frage dahinter: Kann der Kunde auf Dauer die immer pünktliche und vollständige Rückzahlung seiner Kredite (Zins und Tilgung) leisten?
Wenn die Bank zu dem Ergebnis kommt, dass die KDF des Unternehmens nur noch knapp oder gar nicht mehr gegeben ist, wird sie kaum noch weitere Kredite geben und auch die Bedingungen für bestehende Kredite verschlechtern (Zinssätze erhöhen, Sicherheiten nachfordern).
Grundlage der KDF: Jahresabschluss, Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA), Planzahlen
Die KDF-Berechnung wird immer dann erstellt, wenn Kunden den Jahresabschluss einreichen. Eventuell wird mit Blick auf neue Kreditwünsche auch im Laufe des Jahres („unterjährig“) auf Basis der BWA gerechnet. Wichtig dabei: Je aktueller die Zahlen sind, desto schlüssiger kann die Bank rechnen. Damit wird aber nur die Vergangenheit betrachtet. Für Kreditgeber ist jedoch die zukünftige KDF von entscheidender Bedeutung. Daher werden oft Planzahlen verlangt und die KDF ergänzend auf dieser Basis berechnet. Dies gilt insbesondere, wenn über zusätzliche Kreditwünsche entschieden wird.
Im Mittelpunkt steht der „Cashflow“ des Unternehmens
Der englische Begriff „Cashflow“ hat sich so eingebürgert, dass er nicht mehr zu umgehen ist. Seine Aussage: Wieviel Liquidität ist dem Unternehmen nach Abzug aller Kosten im Laufe eines Jahres zugeflossen? Oder – wenn die BWA Grundlage der Berechnung sein sollte – zum Beispiel im Laufe der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres.
Für die Berechnung des Cashflow gibt es verschiedene Wege. Die Kreditinstitute bedienen sich dabei grundsätzlich der einfachen Variante:
Jahresüberschuss bereinigt um außerordentliche Erträge (abziehen) und Aufwendungen (addieren) plus Abschreibungen auf das Sachanlagevermögen. Die Überlegung dahinter: Es geht um den nachhaltigen Cashflow, deshalb werden außerordentliche Positionen nicht berücksichtigt. Die Abschreibungen werden addiert, weil diese zwar in der Gewinn- und Verlustrechnung als Kosten berücksichtigt werden, aber keine Liquidität abfließt (im Gegensatz zu allen anderen Kosten, die das Unternehmen bezahlen muss).
Der Cashflow hat zwei Seiten: Entstehung und Verwendung
Die dargestellte Berechnung ist die Entstehungsseite des Cashflow. Dieser Liquiditätsüberschuss steht aber am Ende des Jahres nicht wirklich auf dem Firmenkonto, denn das Unternehmen hat aus dem Cashflow bereits viele „Dinge“ bezahlt. Dazu zählen bei Einzelunternehmen und Personengesellschaft alle Privatentnahmen. Und alle Unternehmen bezahlen aus dem Cashflow ihre Ersatzinvestitionen, den Eigenanteil für Erweiterungsinvestitionen und die Tilgungen von Darlehen. Besonders die Ersatzinvestitionen werden häufig übersehen. Die einzelne Ersatzinvestition - weil im Betrag nicht so groß - wird dabei nicht über Bank oder Leasing finanziert, sondern aus der laufenden Liquidität bezahlt - eben aus dem Cashflow. Aber im Laufe von zwölf Monaten kommen in der Summe oft erhebliche Beträge zusammen. Ein Blick in folgende Konten des Sachanlagevermögens (Bilanz oder Summen-Salden-Liste der BWA) zeigt das oft sehr schnell: Werkzeuge, Software, EDV-Ausstattung etc.
Kapitaldienstfähigkeit: Der Saldo aus Entstehung und Verwendung
Die Banken ziehen von der Entstehungs- die Verwendungsseite ab. Wenn dieser Saldo ein positives Vorzeichen hat, ist die KDF prinzipiell gegeben. Nur „prinzipiell“, weil Banken oftmals eine bestimmte Größenordnung dieser „freien Liquidität“ verlangen.
Besonderheiten der Bank-Berechnungen
Wichtig: Nicht alle Banken und Sparkassen rechnen im Detail nach dem gleichen Schema. Oft wird die Berechnung unterteilt nach Cashflow aus dem operativen Geschäft, der Finanzierung, den Investitionen und diese werden dann am Ende zusammengeführt zur KDF.
Ein besonderes Thema sind die Abschreibungen: Viele Kreditinstitute ziehen die Abschreibungen pauschal zu 50 Prozent oder gar 100 Prozent wieder ab. Damit ist die KDF oftmals nicht mehr gegeben. Argument aus Bankensicht: Die Abschreibungen dienen der Ansammlung der Liquidität für eine Wiederbeschaffung des jeweiligen Wirtschaftsgutes nach Ablauf der Abschreibungsfrist.
Hier sollten Unternehmen energisch gegenargumentieren:
Der von Banken abgezogene Prozentsatz ist immer "willkürlich" gewählt. Auch das dahinterliegende Argument zieht nicht: Denn meistens wird die Wiederbeschaffung nach Ablauf der Abschreibungsfrist (oder auch später, wenn z.B. die Maschine länger als die acht Jahre der Abschreibungsfrist genutzt wird) ohnehin über einen Kredit finanziert.
Vorteilhaft ist es, wenn Unternehmen in einem solchen Gespräch mit ihren individuellen Zahlen argumentieren können. Dabei hilft natürlich eine klare Vorstellung zur der Höhe der Ersatzinvestitionen jedes Jahr und ein Investitionsplan über mehrere Jahre, aus dem der Eigenanteil von Erweiterungsinvestitionen abgeleitet werden kann. Diese beiden Beträge zusammengefasst pro Jahr sollten natürlich abgezogen werden - siehe oben zur Verwendungsseite.
Es gilt auch hier: Darüber reden und selber rechnen
Unternehmen sollten wissen, wie ihre Banken die KDF berechnen. Also danach fragen und sich den Berechnungsweg erklären und aushändigen lassen. Und dann auf diesem Weg vor dem nächsten Kreditgespräch selber rechnen. Und ggf. die eigene Cashflow-Rechnung dagegen stellen und dann darüber mit der Bank sprechen.
Verhandlungsmachtposition einschätzen
Mit der Berechnung vor dem Kreditgespräch können Unternehmen einschätzen, wie es um die weitere Kreditvergabebereitschaft der Bank wohl bestellt sein wird: Hohe freie Liquidität und gutes Rating ergeben eine starke eigene Verhandlungsposition - oder im umgekehrten Fall eben leider nicht.
Cashflow verbessern
Sollte der Cashflow nur knapp positiv oder gar negativ sein, bieten beide Seiten Handlungsoptionen zu seiner Verbesserung:
- Entstehungsseite des Cashflow: Verbesserung des Betriebsergebnisses durch mögliche und sinnvolle Kostensenkungen, vor allem aber durch Ertrag bringenden Mehrumsatz. Dahinter steht die Aufgabe, die Produkte mit den besten Margen (Roherträgen) im Markt möglichst intensiver zu verkaufen. Das sind die entscheidenden und nachhaltigen Stellschrauben.
- Verwendungsseite des Cashflow: Maßnahmen auf der Verwendungsseite können nur kurzfristig und vorübergehend zur Verbesserung beitragen z.B. Reduzierung von Entnahmen, Schieben von Investitionen oder auch Gespräche mit der Bank über Modifizierung der Tilgungen.
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