Das Baugesetzbuch musste 2023 und Anfang 2024 in rascher Folge eine große Zahl von Änderungen über sich ergehen lassen. Auslöser hierfür war in erster Linie die Energiewende. Viele der Änderungen sollten helfen, den Umstieg auf erneuerbare Energien zu erleichtern. So wurden die Möglichkeiten im Außenbereich Vorhaben zur Energiegewinnung aus Sonne, Wind und Wasserstoff zu errichten, deutlich ausgeweitet. Allerdings war die Energiewende nicht der einzige Auslöser für die Änderung des BauGB. Auch andere Ziele, wie die Förderung des Tierwohls, der Schutz bei katastrophenähnlichen Naturereignissen und die Notwendigkeit zur Bereitstellung von Flüchtlingsunterkünften spielten eine Rolle. Problematisch bei diesen Gesetzgebungsaktivitäten ist, dass immer nur Einzelfragen geregelt wurden. Die einzelnen Neuerungen mögen für sich genommen durchaus verständlich sein, es ist aber schwierig, sie in einen Gesamtzusammenhang einzuordnen und den Überblick zu behalten.
Die Änderungen im Einzelnen
Nachfolgende Übersicht enthält die wichtigsten Änderungen des BauGB des Jahres 2023. Änderungen, die nur Nebengebiete betreffen, wie der erleichtere Bau von tierwohlgerechten Ställen oder der Wiederaufbau nach Naturkatastrophen werden nicht behandelt. Die Sonderregeln für Flüchtlingsunterkünfte finden sich ausführlich in den Kommentierungen der Gruppe 5.
Die Energienovelle vom Januar 2023
Im Auftakt zu den Änderungen des BauGB brachte das Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht. Es erweiterte die Außenbereichsprivilegierungen für erneuerbare Energien. So wurde ein neuer Privilegierungstatbestand für Solaranlagen entlang von Autobahnen und Schienenwegen eingeführt. Entlang dieser Verkehrswege und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 m sind zukünftig Solaranlagen privilegiert. Das erleichtert nicht nur die Aufstellung von Solaranlagen, es ermöglicht auch die Aufstellung neuer eigenständiger Anlagen entlang der Verkehrswege. Die Neuregelung findet sich jetzt in § 35 Abs. 1 Nr. 8 b BauGB. Für Biogasanlagen bringt ein neuer § 246d BauGB Erleichterungen. Von Bedeutung ist auch ein neuer § 249 Abs. 10 BauGB, der bestimmt, dass der öffentliche Belang einer optisch bedrängenden Wirkung einem Windenergievorhaben nicht entgegensteht. Damit ist den Nachbarn einer geplanten Windenergieanlage ein wichtiges Argument in ihrem Kampf gegen die Zulassung der Anlage genommen.
Wind-an-Land-Gesetz vom Februar 2023
Am 1.2.2023 ist das Wind-an-Land-Gesetz, das die planungsrechtlichen Grundlagen für den Ausbau der Windenergie grundlegend neu gestaltet, in Kraft getreten (Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land vom 20.7.2022). Durch das Wind-an-Land-Gesetz und das angehängte Windenergieflächenbedarfsgesetz wurde zu § 249 das BauGB grundlegend verändert. Windenergieanlagen sind in Zukunft nur innerhalb der sog. Windenergiegebiete privilegierte Außenbereichsvorhaben, außerhalb aber nicht mehr. Die bisherige Möglichkeit der Gemeinden, über § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB den Windenergieanlagen nur bestimmte Standorte zuzuweisen, entfällt dagegen. Werden die vom Gesetzgeber vorgesehenen Flächenziele für Windenergiegebiete nicht erreicht, sind dagegen § 249 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BauGB Windenergieanlagen im gesamten Planungsbereich als privilegierte Außenbereichsvorhaben genehmigungsfähig. Dies ist eine sehr weitgehende Folge, die die Stellung der Investoren gegenüber den Gemeinden verändert und weitgehende Auswirkungen auf die Landschaft haben kann. Um sie zu verhindern, müssen daher die Länder möglichst schnell die Flächenziele für Windenergiegebiete erreichen.
Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung vom Juli 2023
Erhebliche Veränderungen im Aufstellungsverfahren für Bauleitpläne brachte das Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren vom 3.7.2023. Der Kernpunkt dieses Gesetzes ist die Umstellung der Öffentlichkeitsbeteiligung, bei der nur mehr die digitale Form als Regelverfahren eingeführt wird. Die Entwürfe der Bauleitplanung sind mit der Begründung und mit den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats im Internet zu veröffentlichen. Eine öffentliche Auslegung der Pläne erfolgt nicht mehr. An etwas versteckter Stelle findet sich eine weitere Änderung des § 35 BauGB zu Gunsten von Solaranlagen. Solaranlagen, die in einem räumlich funktionalen Zusammenhang mit einem Agrarbetrieb stehen und eine bestimmte Größe nicht überschreiten, sind privilegiert. Für diese Anlagen hat sich der Terminus "Agri-PV-Anlagen" eingeführt.
Gesetz zur Wärmeplanung im Dezember 2023
Eine weitere Welle von Änderung brachte das Gesetz für die Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze vom 20.12.2023. Kernpunkt des Gesetzes ist die neu geschaffene Pflicht der Länder zur Durchführung einer Wärmeplanung für ihr Hoheitsgebiet. Die Länder können diese Pflicht aber auf andere Rechtsträger innerh...