1 Leitsatz
Wird einem Wohnungseigentümer der Einbau eines technischen Geräts gestattet (hier: Klimaanlage), sind bei der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit nicht nur die Nachteile durch den unmittelbaren Einbau zu berücksichtigen, sondern auch die Nachteile, die bei einem bestimmungsgemäßen Gebrauch zu erwarten sind.
2 Normenkette
§ 20 Abs. 4 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer gestatten es Wohnungseigentümer X, auf dem Balkon seiner Wohnung ein Klima-Splitgerät zu installieren. In dem Beschluss wird das Klima-Splitgerät wie folgt beschrieben: "Energieeffizienzklasse – Kühlen: A++, Außengerät Schalldruckpegel: 50 dBA – im Regelbetrieb deutlich leiser. Die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz wird eingehalten. Diese besagt: In reinen Wohngebieten darf der Nachbarschaftslärm tagsüber höchstens 50 Dezibel erreichen. Nachts dürfen es maximal 35 Dezibel sein." Gegen diesen Beschluss wendet sich Wohnungseigentümer K. Die Wohnung von X befindet sich unmittelbar über seiner Wohnung. Er ist der Ansicht, die bauliche Veränderung benachteilige ihn gegenüber anderen unbillig. Er werde durch den Betrieb der Klimaanlage besonders beeinträchtigt. Neben einer Geräuschentwicklung befürchte er eine Beeinträchtigung durch austretendes Kondenswasser.
4 Die Entscheidung
Die Anfechtungsklage hat Erfolg! Der Beschluss widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Das Klimagerät benachteilige K im Sinne von § 20 Abs. 4 Halbsatz 1 WEG unbillig. Für die Annahme eines unbilligen Nachteils genüge es zwar nicht, dass sich ein verständiger Durchschnittseigentümer nach der Verkehrsanschauung nachvollziehbar beeinträchtigt fühle. Eine unbillige Benachteiligung setze vielmehr voraus, dass die bauliche Veränderung bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit ihr verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfe (Hinweis auf BGH, Urteil v. 9.2.2024, V ZR 244/22, Rn. 44). Dies sei hier aber der Fall. Zwar entstehe durch die Installation des Klimageräts noch kein Nachteil für K. § 20 Abs. 4 WEG erfasse aber nicht nur Nachteile, die aus der baulichen Veränderung selbst entstünden, beispielsweise eine Verschattung oder eine Lichtspiegelung, sondern auch die Nachteile, die bei der bestimmungsmäßigen Nutzung einer baulichen Veränderung aufträten. Dies seien im Fall die Lärmemissionen eines Klimageräts. Laut der TA-Lärm sei in Wohngebieten maximal eine Geräuschemission von 50 Dezibel über Tag und 35 Dezibel in der Nacht zulässig. Das Gerät könne damit nachts eine unzulässige Geräuschemission entfalten, welche K angesichts der räumlichen Nähe beeinträchtigen könne. Dies sei auch erheblich, denn der Schalldruckpegel wird logarithmisch beschrieben, sodass eine Erhöhung des Schalldruckpegels um 10 Dezibel beispielsweise als Verdoppelung der Lautstärke wahrgenommen werde. Ob das Sondereigentum des K durch den Betrieb des Geräts tatsächlich unzulässige Geräuschemissionen erreichen, hänge allerdings von verschiedenen Faktoren der Örtlichkeit ab. Das sich angesichts des in der Herstellerbeschreibung des Klimageräts normierten Grenzwertes aufdrängende Risiko, dass die öffentlich-rechtlichen Grenzwerte bei Verwendung des Klimageräts nachts überschritten werden, sei jedoch bei einer wertenden Betrachtung nicht hinnehmbar. Nach Auffassung der Kammer genüge also schon das Risiko, dass es nachts aufgrund der technischen Beschaffenheit des sich wenige Meter über der Wohnung der Kläger befindlichen Klima-Splitgeräts zu einer Lärmbelastung jenseits der Grenzwerte der TA Lärm kommen könne, damit der Beschluss keiner ordnungsmäßigen Verwaltung entspreche.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob eine bauliche Veränderung einen Wohnungseigentümer unbillig benachteiligt und ob für die Antwort auf diese Frage nur auf die Beeinträchtigung durch die Maßnahme selbst oder auf den späteren bloß möglichen Betrieb einer Anlage abgestellt werden darf.
Mögliche Nachteile
Das AG Ludwigshafen (Urteil v. 26.1.2022, 2p C 88/21, ZWE 2022, 371, Rn. 12) meinte, für die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Gestattung komme es auf den Betrieb einer Klimaanlage nicht an. Der Betrieb unterliege später gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG Einschränkungen zum Schutz der übrigen Miteigentümer. Da zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Genehmigung des Klimageräts die konkreten Auswirkungen auf die umliegenden Wohnungen naturgemäß nicht bekannt seien und wegen der Vielzahl von Faktoren, die für die Fragen der Lärmübertragung und Bildung eines Wärmestaus relevant seien, nicht prognostiziert werden können, sei der Umfang der tatsächlichen Nutzung des Klimageräts gegebenenfalls nachgelagert zum Einbau zu regeln, um unbillige Benachteiligungen anderer Miteigentümer zu vermeiden.
Das LG sieht das anders, aber auch das Problem. Insoweit führt es ergänzend aus: "Eine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers hätte hingegen nicht vorgelegen, wenn seitens der Wohnungseigentümergemeinschaft zusammen mit der Genehmigung der Installation des Geräts ein fla...