Leitsatz (amtlich)
Auch nach Inkrafttreten von § 4a Abs. 2 GmbHG wird die rechtswirksame Bestimmung des Sitzes einer GmbH durch Gesellschaftsvertrag nicht dadurch nichtig, daß nachträglich die Geschäftsräume vom Ort des statutarischen Sitzes an einen anderen Ort verlegt werden. Die Einleitung eines Verfahrens der Amtsauflösung scheidet deshalb in diesem Falle weiterhin aus (Fortführung von BayObLGZ 1982, 140).
Normenkette
GmbHG § 4a Abs. 2; FGG § 144a Abs. 4
Verfahrensgang
LG Memmingen (Beschluss vom 14.11.2001; Aktenzeichen 2H T 1322/01) |
AG Memmingen (Beschluss vom 15.06.2001) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Memmingen vom 14. November 2001 und der Beschluß des Amtsgerichts Memmingen – Registergericht – vom 15. Juni 2001 in Verbindung mit der Verfügung vom 3. Mai 2001 werden aufgehoben.
II. Der Geschäftswert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Betroffene, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist seit 30.7.1992 in das Handelsregister eingetragen. Als Sitz der Gesellschaft ist entsprechend § 1 der Satzung der Betroffenen der Ort K. angegeben.
Im Jahre 1998 teilte eine Gläubigerin der Betroffenen dem Registergericht mit, daß die Betroffene über keinerlei Geschäftslokal mehr verfüge. In jedem Falle handele es sich bei der Anschrift in K. nur um eine Tarnadresse. Das Registergericht forderte die Betroffene mit Verfügung vom 3.5.2001 auf, bis spätestens 5.6.2001 in öffentlich beglaubigter Form die Sitzverlegung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden oder die Unterlassung der Anmeldung durch Widerspruch zu rechtfertigen. Die Betroffene erhob Widerspruch, den das Registergericht mit Beschluß vom 15.6.2001 zurückwies. Zugleich stellte das Registergericht den Mangel der Satzung fest und erklärte die Gesellschaft für aufgelöst. Hiergegen legte die Betroffene sofortige Beschwerde ein, die das Landgericht nach Durchführung ergänzender Ermittlungen mit Beschluß vom 14.11.2001 (NZG 2002, 95) zurückgewiesen hat. Gegen den Beschluß des Landgerichts wendet sich die Betroffene mit dem Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Das Registergericht habe zu Recht festgestellt, daß die statutarischen Angaben über den Sitz der Betroffenen nicht mehr zutreffend seien. Die Betroffene unterhalte in K. weder ihre Geschäftsleitung noch ihre Verwaltung. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang, von wo aus die Geschäfte der Betroffenen tatsächlich getätigt würden. Der Notgeschäftsführer der Betroffenen habe dazu erklärt, seine Aufträge praktisch ausschließlich telefonisch über Mobilfax in Italien entgegenzunehmen. Tätigkeitsschwerpunkt sei damit Italien. Die Betroffene unterhalte in K. darüber hinaus auch keinen Betrieb. Wie die Ermittlungen der Kammer ergeben hätten, existiere in K. keine entsprechende organisatorische Einheit. Bei einer Nachschau seien auch keine Arbeiten erkennbar gewesen, die auf Erstellung eines von der Betroffenen angeblich geplanten Lagerplatzes gerichtet gewesen wären. Schließlich sei auch kein Grund gegeben, im vorliegenden Falle von der Regel des § 4a GmbHG abzuweichen. Im übrigen habe eine Überprüfung der Akte zwar keine Anhaltspunkte dahingehend ergeben, daß bereits die Angaben der Betroffenen über ihren Sitz im Rahmen des Anmeldeverfahrens unzutreffend gewesen seien. Es sei deshalb davon auszugehen, daß ein den Sitz der Betroffenen betreffender Mangel der Satzung erst nachträglich eingetreten sei. Auch auf diesen Fall sei aber das Amtsauflösungsverfahren nach § 144a FGG anzuwenden; der Gesetzeszweck des § 4a GmbHG, der die früher bestehende Wahlfreiheit für den Sitz einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ganz wesentlich eingeschränkt habe, erfordere eine entsprechende Reaktionsmöglichkeit.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.
a) Die Durchführung eines Feststellungsverfahrens nach § 144a FGG setzt bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung voraus, daß der Gesellschaftsvertrag der eingetragenen Gesellschaft entweder eine der nach §§ 3 Abs. 1 Nrn. 1 oder 4 GmbHG wesentlichen Bestimmungen nicht enthält oder eine dieser Bestimmungen oder die Bestimmung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG nichtig ist (§ 144a Abs. 4 FGG). § 144a FGG stellt seinerseits eine Sonderregelung zu § 142 FGG dar. Die Vorschrift enthält eine abschließende Aufzählung der zur Auflösung führenden Satzungsmängel einer GmbH (vgl. Bassenge u. a. FGG RPflG 9. Aufl. § 144a FGG Rn. 1 f.).
b) Im vorliegenden Fall ist der Sitz der Gesellschaft, also eine der beiden nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG wesentlichen Bestimmungen, in der Satzung der Betroffenen festgelegt. Damit scheidet die erste Alternative des § 144a Abs. 4 FGG aus. Aber auch die Voraussetzungen der zweiten Alternative sind nicht erfüllt. Die in § 1 der Satzung der Betroffenen zunächst rechtswirksam getroffene Bestimmung des Firmensitzes i...