Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäße Prozessführung trotz Unterlassens der Stellung eines PKH-Antrags
Leitsatz (amtlich)
1. Unterlässt der zum Betreuer bestellte Rechtsanwalt vor einer Prozessführung für den mittellosen Betroffenen einen Antrag auf Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung für das Verfahren zu stellen, kann er dennoch einen Aufwendungsanspruch für seine berufsspezifische Tätigkeit gegen die Staatskasse geltend machen, sofern er die Prozessführung nach sorgfältiger Abwägung zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung für erforderlich halten durfte.
2. Ob sich der Anspruch in diesem Fall auf die Höhe der Gebühren beschränkt, die der Anwalt im Fall der Beiordnung bei Prozesskostenhilfebewilligung erhalten hätte, bleibt offen.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 16.05.2003; Aktenzeichen 13 T 11139/02) |
AG Nürnberg (Aktenzeichen XVII 708/98) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 16.5.2003 aufgehoben.
II. Der Beschluss des AG Nürnberg vom 21.11.2002 wird dahin gehend abgeändert, dass dem Betreuer auf seinen Antrag vom 1.10.2002 Aufwendungsersatz und Vergütung i.H.v. 1.981,14 Euro aus der Staatskasse zu zahlen sind.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 913,37 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der für den mittellosen Betroffenen bestellte Betreuer, ein Rechtsanwalt, beantragte am 1.10.2002, für seine im angegebenen Zeitraum erbrachten Tätigkeiten insgesamt 1.981,15 Euro als Vergütung und Aufwendungsersatz gegen die Staatskasse festzusetzen.
Im Abrechnungszeitraum hatte der Betreuer den Betreuten in einem amtsgerichtlichen Verfahren vertreten, in dem dessen ehemalige Vermieterin Zahlungsklage erhoben hatte.
Der Rechtsstreit war mit einem Vergleich beendet worden, in dem sich der Betroffene zur Zahlung von 5.500 DM an die Klägerin und zur Übernahme der Kosten verpflichtete. Im Übrigen wurden die gegenseitigen Ansprüche der Parteien in dem im Vergleich bezeichneten Umfang für erledigt erklärt.
Hierwegen machte der Betreuer Aufwendungsersatz „gem. § 1835 Abs. 3 BGB auf Grundlage der BRAGO” wie folgt geltend:
Prozessgebühren: 10/10 aus 5.589 DM 5/10 aus 5.500 DM 562,50 DM
Erörterungsgebühr: 10/10 aus 5.589 DM 375,00 DM
Vergleichsgebühren: 15/10 aus 5.500 DM 562,50 DM
Auslagenpauschale: 40,00 DM
Zuzüglich 16 % MwSt. entspricht dies einem Gesamtbetrag innerhalb der Abrechnung von 1.786,40 DM = 913,37 Euro.
Auf Frage des VormG teilte der Betreuer mit: Prozesskostenhilfe (PKH) für den Betroffenen habe er nicht beantragt. Diese hätte allenfalls zur Bewilligung unter Ratenanordnung geführt. Außerdem hätte das zuständige Streitgericht erfahrungsgemäß erst zusammen mit dem Endurteil über den PKH-Antrag entschieden. Je nach Ausgang des Verfahrens wäre diese versagt worden oder wegen Obsiegens des Betroffenen nicht notwendig geworden.
Mit Beschluss vom 21.11.2002 setzte das VormG die Erstattung aus der Staatskasse auf 1.067,77 Euro fest. Der beantragte Aufwendungsersatz für die Prozessführung wurde abgelehnt mit der Begründung, der Betreuer habe keine Prozesskostenhilfe beantragt.
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Betreuers hat das LG mit Beschluss vom 16.5.2003 zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.
Mit seinem Rechtsmittel verfolgt der Betreuer weiterhin den geltend gemachten Anspruch.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insb. vom LG zugelassen und form- und fristgerecht eingelegt.
Sie ist auch begründet.
1. Das LG hat in seinem Beschluss ausgeführt:
Der Betreuer könne grundsätzlich als Rechtsanwalt für eine Prozessführung im Interesse des Betreuten einen Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB geltend machen. Allerdings müsse er die Aufwendungen möglichst niedrig halten und deshalb bei entsprechenden wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zunächst PKH und die Beiordnung nach § 121 ZPO beantragen. Erst wenn auf diesem Wege keine anwaltliche Prozessvertretung erreicht werden könne, seien die Aufwendungen des Rechtsanwalts als Betreuer für seine beruflichen Dienste erforderlich und mithin erstattungsfähig. Unterlasse er hingegen einen Antrag auf PKH-Bewilligung, scheide grundsätzlich eine spätere Geltendmachung seiner Gebühren als Aufwendungsersatz oder Vergütung für die geleistete anwaltliche Tätigkeit aus.
Der anwaltliche Betreuer könne sich auch nicht darauf berufen, dass die beantragte Prozesskostenhilfe voraussichtlich mangels Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung verweigert worden wäre, er diese aber nach sorgfältiger Abwägung zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung habe für erforderlich halten dürfen. Denn es könne nicht Aufgabe des Vergütungsfestsetzungsverfahrens sein, im Nachhinein die Erfolgsaussichten eines PKH-Antrags zu prüfen.
Wegen der Vorrangigkeit der PKH komme es im Fall eines unterlassenen Antrags – im Gegensatz zur Auffassung des OLG Frankfurt (OLG Frankfurt v. 29.5.2001 – 20 W 328/00, RPfleger 2001, 491 [492] = FamRZ 2002, 59) – nicht darauf a...