Verfahrensgang
OLG Dresden (Entscheidung vom 20.12.2022; Aktenzeichen 4 U 1178/22) |
LG Leipzig (Entscheidung vom 17.05.2022; Aktenzeichen 3 O 1686/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 20. Dezember 2022 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 19.000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Schadensabwicklungsunternehmen seines Rechtsschutzversicherers auf Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung von Deckungsschutz für die außergerichtliche und erstinstanzliche Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen zur Durchführung eines beabsichtigten Verfahrens wegen behaupteter Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung bei einem von ihm erworbenen Fahrzeug in Anspruch.
Rz. 2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Streitwert in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers in der Klageschrift auf "bis 10.000 €" festgesetzt; das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen und den Streitwert auf "bis zu 32.000 €" festgesetzt. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Rz. 3
II. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Rz. 4
1. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer entspricht gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dem Wert des Beschwerdegegenstands aus dem beabsichtigten Revisionsverfahren. Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Gewährung von Deckungsschutz aus einer Rechtsschutzversicherung - wie hier - richtet sich gemäß § 3 ZPO grundsätzlich nach den voraussichtlichen durch die gerichtliche und außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers entstehenden Kosten, deren Übernahme durch den Versicherer er erstrebt, abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 Prozent (Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 2011 - IV ZR 141/10, VersR 2012, 204 Rn. 4; vom 8. März 2006 - IV ZB 19/05, VersR 2006, 716 Rn. 5).
Rz. 5
2. Gemessen daran ist die Wertgrenze des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht überschritten. Der Wert des Beschwerdegegenstands für das beabsichtigte Revisionsverfahren beträgt 16.138,24 €.
Rz. 6
a) Ausgehend von einem Streitwert des Schadensersatzprozesses in Höhe von 33.477,48 € (Kaufpreis des Fahrzeugs abzüglich Nutzungen) beträgt der Wert des Beschwerdegegenstands für das beabsichtigte Revisionsverfahren 6.138,24 €. Diese Wertfestsetzung bemisst sich nach den Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtskosten, welche die Beklagte für die erstinstanzliche Geltendmachung von deliktischen Schadensersatzansprüchen des Klägers gegen die AG übernehmen muss.
Rz. 7
b) Soweit das Berufungsgericht und die Nichtzulassungsbeschwerde meinen, zusätzlich seien Sachverständigenkosten von 30.000 € zu berücksichtigen, trifft dies im Streitfall jedenfalls in dieser Höhe nicht zu. Ob bei Bemessung des Streitwerts von Deckungsklagen neben den üblichen Anwaltsgebühren und Gerichtskosten auch Auslagen für Zeugen und Sachverständige zu berücksichtigen sind, ist umstritten. Nach einer Ansicht bleiben diese Auslagen außer Betracht (Schneider in Harbauer, Rechtsschutzversicherung 9. Aufl. ARB 2010 § 20 Rn. 13). Nach überwiegender zutreffender Ansicht sind sie in angemessener Höhe zu berücksichtigen, wenn für ihren Anfall eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (OLG Oldenburg VersR 2023, 634 [juris Rn. 23]; OLG Dresden, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 4 W 896/19, juris Rn. 3; OLG Brandenburg r+s 2021, 363 [juris Rn. 2 f.]; OLG München NJOZ 2018, 1173 Rn. 10 ff.; Gehle in Anders/Gehle, ZPO 82. Aufl. Anhang zu § 3 Rn. 130 "Deckungsprozess"; Hartmann, Kostengesetze online, § 3 ZPO Rn. 130 (Deckungsprozess) [Stand: November 2022]; Herget in Zöller, ZPO 35. Aufl. § 3 Rn. 16.136; Seggewiße in Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. Versicherungsschutz Rn. 2.5444). Der Gebührenstreitwert soll in vermögensrechtlichen Streitigkeiten das konkrete wirtschaftliche Interesse der Partei abbilden, die den gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nimmt; es gilt das sogenannte Angreiferinteresseprinzip (vgl. MünchKomm-ZPO/Wöstmann, 6. Aufl. § 3 Rn. 4 f., 10; OLG Brandenburg aaO Rn. 3 f. m.w.N.). Sachverständigenkosten sind damit nach Maßgabe einer Einzelfallprognose bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen, wenn sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht ohne Bindung an die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts selbst zu befinden (Senatsbeschluss vom 3. Mai 2023 - IV ZR 264/22, ZEV 2023, 462 Rn. 3 m.w.N.). Der Senat bemisst danach diese Kosten mit 10.000 €.
Rz. 8
Im Streitfall hat sich der Kläger mit Gegenvorstellung vom 3. Januar 2023 ausdrücklich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts der Berücksichtigung von Sachverständigenkosten in Höhe von 30.000 € gewandt und vorgetragen, dass es beim zuständigen Landgericht in Verfahren gegen den Fahrzeughersteller noch in keinem Fall zur Einholung eines Sachverständigengutachtens gekommen sei. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kann hier aber dennoch damit gerechnet werden, dass Sachverständigenkosten anfallen, weil in dem beabsichtigten Rechtsstreit auch tatsächliche Fragen im Streit stehen. Hinsichtlich der Höhe der zu erwartenden Kosten ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die zu klärenden Beweisfragen voraussichtlich in einer Vielzahl von Verfahren stellen und teilweise Fragen betreffen werden, die abstrakt und unabhängig vom einzelnen Fahrzeug zu beantworten sind, so dass mögliche Sachverständigengutachten zumindest deutlich kostengünstiger ausfallen werden, als das Berufungsgericht angenommen hat (vgl. OLG München NJOZ 2018, 1173 Rn. 11 f.). Angemessen erscheint daher der genannte geschätzte Betrag von 10.000 €.
Rz. 9
III. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wäre im Übrigen auch unbegründet. Die Rechtssache hat nach der Senatsentscheidung vom 5. Juni 2024 (IV ZR 140/23, VersR 2024, 1068 Rn. 19 ff.; vorgesehen für BGHZ) weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat die Erfolgsaussichten einer Revision geprüft und verneint (vgl. BVerfGK 19, 467, 475; 18, 105, 111 f.; 6, 79, 81 ff.).
Prof. Dr. Karczewski |
|
Harsdorf-Gebhardt |
|
Dr. Brockmöller |
|
Dr. Bußmann |
|
Dr. Bommel |
|
Fundstellen
NJW 2024, 10 |
NJW-RR 2024, 1354 |
r+s 2024, 1028 |