Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 22.06.2022; Aktenzeichen 3 U 171/21) |
LG Oldenburg (Entscheidung vom 17.11.2021; Aktenzeichen 17 O 1469/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 22. Juni 2022 zugelassen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Kläger als Gesamtgläubiger mehr als 42.519,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. Juli 2016 zu zahlen.
Im Umfang der Zulassung wird das vorbezeichnete Urteil gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Nichtzulassungsbeschwerde- und das Revisionsverfahren wird auf 42.794,75 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
I. Die Parteien streiten über Ansprüche auf Zahlung des auf die Kläger entfallenden Anteils am Nachlass des Erblassers Ralf S..
Rz. 2
Der am 7. Juli 2013 verstorbene Erblasser wurde zu je 1/2 von seiner Schwester - der Beklagten - und seiner Mutter beerbt. Die Mutter des Erblassers verstarb am 29. September 2015 und wurde von den Klägern zu je 1/3 beerbt.
Rz. 3
Die Beklagte kümmerte sich um die Abwicklung des Nachlasses, übernahm gegen Zahlung ein Grundstück des Erblassers und veräußerte diverse Nachlassgegenstände. Sie beglich Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber mehreren Kreditinstituten - unter anderem der B. Bank GmbH - sowie die Beerdigungskosten mit eigenen Mitteln. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts leistete die Beklagte zu diesem Zweck Zahlungen in Höhe von insgesamt 28.030,84 €, woraus ein Teilbetrag in Höhe von 3.477,61 € auf die Tilgung von Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber der B. Bank GmbH entfiel.
Rz. 4
Die Beklagte hat unter Beweisantritt behauptet, sie und ihr Lebensgefährte hätten Zahlungen in Höhe von insgesamt 4.027,61 € zur Tilgung von Verbindlichkeiten des Erblassers gegenüber der B. Bank GmbH aus ihrem jeweiligen eigenen Vermögen auf den Nachlass erbracht. Sie ist der Ansicht, ein Überschuss ergebe sich unter Berücksichtigung dieser - und weiterer - Aufwendungen nicht.
Rz. 5
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung des auf den Erbteil der Kläger entfallenden Überschusses in Höhe von 52.602,94 € nebst Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 42.794,75 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen worden ist. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Beklagte mit ihrer Beschwerde.
Rz. 6
II. Die Beschwerde hat Erfolg, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an die Kläger als Gesamtgläubiger mehr als 42.519,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. Juli 2016 zu zahlen, und führt insoweit gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Rz. 7
1. Dieses hat - soweit für das vorliegende Verfahren noch von Bedeutung - angenommen, aus eigenen Mitteln aufgebrachte Zahlungen der Beklagten seien lediglich in Höhe von 28.030,84 €, davon 3.477,61 € an die B. Bank GmbH, anspruchsmindernd zu berücksichtigen, da die Beklagte nur diese nachvollziehbar vorgetragen und nachgewiesen habe. Eine Beweiserhebung durch Einvernahme des Zeugen N. sei nicht veranlasst gewesen, da eine solche angesichts des lückenhaften Vortrags eine prozessual nicht vorgesehene Beweisermittlung darstellen würde.
Rz. 8
2. Das verletzt die Beklagte in entscheidungserheblicher Weise in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör.
Rz. 9
a) Dieser Anspruch verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2023 - IV ZR 9/22, r+s 2023, 303 Rn. 10; vom 28. Oktober 2015 - IV ZR 139/15, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2022 - VIII ZR 33/20, VersR 2022, 1050 Rn. 14 m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des Beweisangebots darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforderungen an den Vortrag einer Partei gestellt hat (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2023 aaO; BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2022 aaO Rn. 15; vom 29. September 2021 - VIII ZR 226/19, juris Rn. 12).
Rz. 10
b) Das Berufungsgericht hat, indem es ohne weitere Sachaufklärung die Beklagte zur Zahlung im tenorierten Umfang verurteilt hat, gehörswidrig den im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 3. September 2019, der Berufungsbegründung vom 24. Februar 2020 und derjenigen vom 15. Februar 2022 angebotenen Zeugenbeweis zu über einen Betrag in Höhe von 3.477,61 € hinaus geleisteten Zahlungen der Beklagten und ihres Lebensgefährten an die B. Bank GmbH nicht erhoben, weil es an den Beklagtenvortrag zu im Rahmen der Erbauseinandersetzung berücksichtigungsfähigen Aufwendungen überhöhte Anforderungen gestellt hat.
Rz. 11
aa) Eine Partei genügt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ihren Substantiierungspflichten, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als bestehend erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (Senatsbeschlüsse vom 21. September 2022 - IV ZR 501/21, VersR 2022, 1608 Rn. 9; vom 21. April 2021 - IV ZR 88/20, VersR 2021, 863 Rn. 5 m.w.N.). Vielmehr muss der Tatrichter in die Beweisaufnahme eintreten, um dort eventuell weitere Einzelheiten zu ermitteln (Senatsbeschlüsse vom 21. September 2022 aaO; vom 13. November 2013 - IV ZR 224/13, VersR 2014, 104 Rn. 7 m.w.N.).
Rz. 12
bb) Gemessen daran hat das Berufungsgericht an die Darlegungslast der Beklagten zu hohe Anforderungen gestellt. Die Darlegungen der Beklagten zu Zahlungen in Höhe von insgesamt 4.027,61 € an die B. Bank GmbH sind hinreichend schlüssig. Sie hat über die Auflistung der einzelnen Zahlungen in den erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 3. September 2019 übermittelten Listen überdies in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 25. September 2018 und im weiteren Verlauf des Rechtsstreits in ihren Berufungsbegründungen vom 24. Februar 2020 - dort überdies unter Vorlage eines Ablöseangebots der B. Bank GmbH - und vom 15. Februar 2022 vorgetragen, ihr Lebensgefährte habe am 26. August 2013 und am 16. September 2013 jeweils einen Betrag in Höhe von 550 € und am 21. Oktober 2013 einen Betrag in Höhe von 500 € von seinem Bankkonto, sie selbst am 23.September 2013 einen Betrag in Höhe von 2.427,61 € von ihrem Bankkonto aus jeweils eigenen Mitteln an die B. Bank zur Tilgung eines Darlehens des Erblassers überwiesen. Darüberhinausgehenden Vortrags bedarf es nicht, um einen im Rahmen der Erbauseinandersetzung gemäß § 2047 Abs. 1, § 2046 Abs. 1 Satz 1 BGB berücksichtigungsfähigen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus § 670 BGB in Verbindung mit § 2038 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 745 Abs. 1 BGB bzw. - für den Fall einer fehlenden Auftragserteilung durch die Erbengemeinschaft - aus § 683 Satz 1, § 670 BGB gegen die Erbengemeinschaft als bestehend erscheinen zu lassen.
Rz. 13
cc) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einem für die Beklagte günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es deren Vortrag zu Zahlungen an die B. Bank GmbH in der gebotenen Weise berücksichtigt und den angebotenen Beweis erhoben hätte.
Rz. 14
III. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen. Der Senat hat auch die übrigen Rügen der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.
Prof. Dr. Karczewski |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Rust |
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Fundstellen